Die unsichtbare Pyramide
stoßen.«
»Und in dieser Opposition spielst du eine Rolle?«
»Sie hat viele Unterstützer. Fürst Asfahan hier ist einer von ihnen. Ich bin froh und fühle mich geehrt, ihn endlich persönlich kennen zu lernen.«
»Ich empfinde das Gleiche für Euch«, versicherte der Teguar mit einer leichten Verbeugung.
»Ich kenne sogar Piraten, die euch gerne helfen würden«, erinnerte sich Topra.
Der Nubier hob interessiert die Augenbrauen. »Du musst mir bei Gelegenheit sagen, wo ich sie finden kann.«
Der junge Seher nickte geistesabwesend.
»Woran denkst du?«, fragte ihn Asfahan.
»An meine Mutter. Ich muss zu ihr. Vielleicht kann ich sie befreien.«
»Schlag dir das aus dem Kopf«, sagte Hobnaj. »Glaubst du, ich hätte es nicht längst getan, wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe?«
»Dann will ich sie wenigstens sehen«, beharrte Topra. »Du musst mir helfen, Hobnaj. Bitte! Wenn deine Freunde wirklich so zahlreich sind, dann muss es doch irgendjemanden geben, der mir Zugang zum Palast verschaffen kann.«
»Selbst wenn es ginge – und ich habe nicht gesagt, dass ich es möglich machen kann – ist das, was du da verlangst, lebensgefährlich.«
»War das dein Posten als Gisas Leibwächter nicht ebenso?«
»Darum geht es nicht, Topra. Sofern du es willst, werde ich über dein Leben wachen wie ehemals über das deiner Mutter. Ich fürchte weder Tod noch Folter, wenn ich damit einer guten Sache dienen kann. Leider bin ich in etwa so unauffällig wie ein Elefant im Porzellanladen. Schon bei dem Versuch, in das Millionenjahrhaus einzudringen, wäre ich ein toter Mann. Und das ist nun wirklich sinnlos.« Der Nubier schüttelte verärgert sein schwarzes Haupt und fügte leise hinzu: »Aber dir könnte es vielleicht gelingen.«
Zwei Teguar waren bei den Tieren geblieben. Die übrigen, Topra inbegriffen, folgten dem Nubier auf den Hügel, ins Zentrum der Oase. Dort bewohnte Hobnaj ein großzügiges Anwesen, das wie die meisten Häuser in Siwa ganz aus Lehm bestand. Es sei schon viele hundert Jahre alt, erzählte er, und für einen Einzelnen viel zu groß. Deshalb habe er die ebenerdigen Räume im Ostflügel »einer Freundin« überlassen.
Topra wunderte sich zunächst von der Mitbewohnerin zu erfahren. Er hatte spüren können, wie tief verwurzelt die Liebe des Nubiers zu Gisa war. Solange sie lebte, würde sich daran wohl nichts ändern. Als Hobnaj seine zehn Gäste in das Haus führte und ihnen Fatima vorstellte, sahen alle zunächst eine mittelgroße, schlanke Frau Anfang fünfzig, die eine auffallend friedliche Ausstrahlung hatte. Ihr mildes Wesen sei ansteckend, erklärte der Nubier: Niemand könnte in ihrer Gegenwart streiten. Sie lächelte dankbar und beide versicherten einander, wie sehr sie sich schätzten. Ob es da noch tiefer gehende Gefühle gab, konnte Topra nicht erkennen. Dafür fiel ihm etwas anderes auf, als sie ihre Hände nach dem Freund ausstreckte, um dessen Pranken liebevoll zu drücken.
Fatima war blind.
Als Hobnaj die Blicke seiner Gäste bemerkte, sagte er mit wissendem Lächeln: »Ja, ihr Augenlicht hat sie vor ungefähr zwei Jahrzehnten verlassen, aber sie sieht mehr als jeder andere von uns.«
Dafür lieferte sie auch gleich einen Beweis. Als Topra zur Begrüßung Fatimas Hände an seine Stirn legte, reagierte sie anders als bei den übrigen Männern: Sie betastete sein Gesicht. Dann begann sie zu lächeln.
»Wie lautet dein Name, hübscher Junge?«
Der Gefragte zögerte. Konnte er der Fremden trauen? Ausweichend antwortete er: »Takuba.«
»So nennen die Teguar ihre geraden, zweischneidigen Schwerter, nicht wahr?«
Zu Topras Verwunderung erklärte Asfahan freimütig: »Topras Wille ist wie das Blatt eines takuba: Er hat damit Vorhänge durchtrennt, die unser aller Blicke verschleierten, und sogar einen Löwen bezwungen.«
Fatima nickte, als hätte sie genau so eine Antwort erwartet. Sich wieder an Topra wendend, sagte sie: »Ich würde mich freuen, wenn du mir in den nächsten Tagen etwas Gesellschaft leistest, Topra.«
»Gerne, Herrin«, antwortete der junge Seher und verbeugte sich noch einmal, obwohl Hobnajs Mitbewohnerin es nicht sehen konnte.
Die ehrfürchtige Stimmung verflog ebenso schnell, wie sie entstanden war, als Fatima wie ein junges Mädchen lachte. »Jetzt muss ich mich aber wirklich um euer leibliches Wohl kümmern. Bitte entschuldigt mich. Ich will Getränke und etwas Obst für euch herrichten.« Damit wandte sie sich um und lief – erstaunlich
Weitere Kostenlose Bücher