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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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zugewandt, ruckte herum. »Was sagst du da?«
    »Früher einmal war dieser Raum hell und mit Wandbemalungen ausgeschmückt – vielleicht handelte es sich auch um eine ähnliche Kammer an selber Stelle. Jedenfalls wurden die Zeichen für die Bewegungen der Barke von einem Mann gegeben.«
    Fatimas Antlitz begann zu erstrahlen und das lag nicht allein an dem Ausdruck des Erkennens, der sich darin widerspiegelte. Zugleich erglühte es nämlich im Licht der untergehenden Sonne. Topras Augen folgten dem gleißenden Strahlenbündel bis zur Westwand des hohlen Würfels. Dort entdeckte er die Ausgänge jener sechs quadratischen Lichtschächte, die draußen an der Felswand ihren Ursprung nahmen; der fünfte von rechts leuchtete feuerrot. Wie hatten die Erbauer des Orakels diese Röhren vor Jahrhunderten bis hierhin schnurgerade durch das Lavagestein treiben können? Topra schüttelte fasziniert den Kopf.
    »Es ist so weit, Hüter des Gleichgewichts«, verkündete Fatima, trat aus dem Lichtkegel, wandte sich um und deutete zur gegenüberliegenden Wand. »Sieh genau hin. Was zeigt dir die entschwindende Sonne, bevor die Nacht heraufzieht?«
    Topra trat näher an die Wand heran. Mit den Hieroglyphen dort konnte er nichts anfangen, das Wissen um ihre Bedeutung war in der Vergessenheit versunken. Aber der Lichtspeer der Abendsonne zielte genau auf ein einzelnes Symbol, das ihm sehr vertraut war.
    »Das Pyramidenband!«, hauchte er.
    Fatima nickte zufrieden. »Du kennst also das Zeichen der Unsichtbaren Pyramide.«
    »Ich habe…«
    »Du trägst es als Muttermal auf der Schulter, ich weiß, Topra. Hobnaj hat mir davon erzählt.«
    »Dieser Name, den du da eben benutzt hast – ›Unsichtbare Pyramide‹ –, ich kenne ihn! Mein Vater hatte mir von einem Bund Auserwählter und ihrer Getreuen erzählt, die in drei Welten lebten, von denen Anx nur eine sei.«
    »Die Hüter des Gleichgewichts«, stimmte Fatima ihm zu.
    »Moment mal! Hast du nicht eben mich als Hüter bezeichnet?«
    »Weil du es bist, Topra, und nicht Pharao Isfet, der sogar gemordet hat und es immer wieder tun würde, um diesen Titel für sich zu beanspruchen. Nimm dich in Acht vor ihm! Aber jetzt lass mich bitte dein Muttermal betasten.«
    Er zögerte.
    Fatima lächelte mild. »Nur keine falsche Scham, mein Junge. Ich verspreche dir, nicht zu erröten, und solltest du es tun, werde ich es nicht bemerken.«
    Topra öffnete sein Teguargewand, das er wie selbstverständlich immer noch trug, und ließ Fatima sein Feuermal betasten.
    »Ja!«, sagte sie erst leise und dann noch einmal triumphierend laut. »Ja! Ich kann es sogar fühlen, dass du der rechtmäßige Hüter des Gleichgewichts bist.« Unvermittelt sah sich Topra von der Wächterin des Orakels umarmt. »Ich kann mein Glück kaum fassen! Du bist der Auserwählte.«
    »Das hat Eitan auch immer gesagt.«
    Sie gab ihn wieder frei. »Eitan?«
    »Ein Pirat.«
    »Nun, ich glaube, das gehört jetzt nicht hierher. Du hast das Licht gesehen und das Symbol des unendlichen Bandes, das die Drei-Welten-Pyramide umschließt. Die Sonne scheint an sechs bestimmten Tagen im Jahr durch jeweils eine der Lichtöffnungen in diesem Raum. Aber nur wenn zum gleichen Zeitpunkt eine der großen Wellen die drei Welten des Drillingsuniversums zusammenrückt, kann man das Symbol der Unsichtbaren Pyramide sehen.«
    Topra stutzte. Er ging noch einmal zu der Wand, die jetzt wieder im Zwielicht des Leuchters lag, aber sosehr er sich auch anstrengte, er konnte das Zeichen nicht mehr wiederfinden. Verzweifelt blickte er zu dem verblassenden Schachtausgang empor. Er wollte das Pyramidenband noch einmal sehen. Der Wunsch war in ihm so stark, dass er unbewusst nach der Sonne griff.
    Später, im Gespräch mit seinen Gefährten, fand er eine schlüssigere Erklärung für das, was nun geschah. Wie in dem Wüstenfort, als er ein Haus durch die Landschaft katapultiert hatte, krümmte er auch hier den Raum. Das Licht der Abendsonne folgte dieser unsichtbaren Kurve als wäre es Wasser, das durch eine gebogene Röhre fließt, und erschien abermals in der Öffnung unter der Decke.
    Topra fühlte einen Schauder, als das Symbol der Unsichtbaren Pyramide von neuem vor seinen Augen auftauchte.
    »Warum bist du so still?«, fragte die Orakelhüterin plötzlich.
    Er zuckte zusammen und schlagartig verdunkelte sich der Raum. Die Sonnenstrahlen waren in ihre ursprüngliche Bahn zurückgeschnellt. »Es ist verschwunden!«, keuchte er. Einen Moment tanzten nur helle und

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