Die unsichtbare Pyramide
entsorgen konnte.
»Dort gehört er auch hin«, sagte Francisco, kniete sich vor sein Bett und flehte zu Gott: »O hilf mir, Herr, das Richtige zu tun. Bewahre mich vor den Fallstricken teuflischer Irreführungen und Magie. Lass mich doch bitte deinen Weg erkennen, damit ich darauf wandeln kann. Wozu hast du mir diese Gaben geschenkt, die mich…?«
»Was soll das denn werden, wenn es fertig ist?«
Francisco zuckte zusammen. Langsam drehte er sich um. Vicente stand in der Tür, seinen Aluminiumkoffer in der Hand, und grinste.
»Hast du noch nie jemanden beten gesehen?« Das Gefühl des Ertapptseins hallte deutlich im unwirschen Ton von Franciscos Antwort wider.
»Doch, habe ich: unseren Vater. Er verhalf mir zu der Einsicht, dass die Kurie ein Kuriosum ist. Dieser fromme Geistliche hat zwar meinen Glauben in die göttliche Gerechtigkeit nicht gefestigt, aber immerhin verdanke ich ihm eine Vision von multiversellen Ausmaßen. Sie ist greifbar nahe! In wenigen Tagen reitest du auf der fünften Welle deines Lebens.«
»Und was stimmt dich so zuversichtlich?«, erwiderte Francisco.
»Das Gespräch mit Professor Kimura. Er hält mich für spleenig, aber trotzdem hat er mir den ganz heißen Tipp gegeben.«
»Ich ahne Schlimmes. Geht’s als Nächstes zum Ayers Rock nach Australien?«
»Nein, wir fliegen auf die Bahamas.«
»Doch bestimmt nicht, um uns an einem karibischen Sandstrand zu entspannen.«
»Nein. Der Zeitplan ist dafür zu eng. Kimura erzählte mir von einer aufregenden Entdeckung in der See vor den Bari Islands. Liegt schon fast zwanzig Jahre zurück. Damals ist irgendein Arzt oder Naturheilpraktiker zweiundzwanzig Faden unter der Meeresoberfläche auf eine Kristallpyramide gestoßen. Sie soll neunzig Fuß weit aus dem Grund ragen, aber insgesamt so um die einhundertzwanzig hoch sein.«
Francisco überschlug die Maße im Kopf. »Eine sechsunddreißig Meter hohe Kristallpyramide? Bei den Bahamas? Mitten im Ozean? Bist du jetzt völlig übergeschnappt?«
»Heute Mittag habe ich mich das tatsächlich gefragt. Aber anscheinend wurde das Monument inzwischen von zahlreichen Menschen besucht. Ein bisschen soll es an einen riesigen Lapislazuli erinnern. Weißt du, welche Farbe dieser Stein hat?«
»Blau«, knurrte Francisco.
»Interessant, nicht wahr? Aber es kommt noch besser. Dr. Ray Brown – so hieß der Entdecker der Pyramide – ist in das Ding reingetaucht. Darin befand sich ein rechteckiger Raum mit pyramidenförmiger Decke, der völlig frei von Algen oder Korallenbewuchs war. Als er den Raum wieder verließ, hat er, was immer das heißen mag, eine ›Präsenz‹ gespürt. Außerdem hörte er eine Stimme, die ihn warnte, nicht mehr an diesen Ort zurückzukehren. Nun, er war wie gesagt nicht der Letzte, der die blaue Sphäre besuchte und ihre geheimnisvollen Kräfte spürte. Andere wollen tief in dem Kristallkörper die Abbilder dreier Pyramiden gesehen haben, eine vor der anderen in abnehmender Größe…«
»Drei Pyramiden?«
Vicentes Augen strahlten. Er nickte. »Ist das nicht aufregend! Manche behaupten, in einem meditativen Zustand sogar eine vierte Pyramide erblickt zu haben.«
»Das passt jetzt aber nicht.«
»Und ob das passt! Eine gewisse Elizabeth Bacon will in Trance eine Botschaft empfangen haben, derzufolge das Objekt ursprünglich dem ägyptischen Gott Thot gewidmet war…«
»Hast du Thot gesagt? Sprichst du von demselben, dessen Verkörperung die Griechen Hermes Trismegistos nannten?«
»Ja«, betonte Vicente, der sich kurz über Franciscos Einwurf wunderte, dann aber aufgeregt fortfuhr: »Die besagte New-Yorkerin sprach von einem ›geheimen Gewölbe des Wissens‹, das nahe den großen Monumenten von Giseh versteckt sein soll. Sie ist überzeugt, die Positionen der drei Pyramidenbilder in dem Kristall enthalten einen Schlüssel, um eine vierte, bisher unentdeckte, zu finden…«
»Eine unsichtbare Pyramide«, flüsterte Francisco.
»Sie soll unter der Erde verborgen liegen und nichts anderes als die legendäre Kammer des Wissens sein. Ich brauche dir wohl nicht zu erklären, was das bedeutet; du hast ja selbst genug Bücher über Ägypten gelesen.«
Francisco nickte mit glasigem Blick. »Es heißt, dort sei das Wissen aus der Zeit vor unserer Zeit verborgen, die Weisheit einer anderen Welt.«
»Wir müssen unbedingt in die Karibik. Ich habe das Gefühl, diese Kristallpyramide wartet nur darauf, dass wir kommen und sie befragen…«
»Nein! Ich werde mich mit keinem
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