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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Clara!«
    »Und wenn schon«, knurrte Vicente. Er riss sich aus dem nicht sehr festen Griff seines Bruders los, warf den Stapel Umschläge in den Koffer und ließ ihn zufallen.
    Francisco ballte die Fäuste. Am liebsten wäre er über seinen Bruder hergefallen wie Kain über Abel. Tränen der Wut standen ihm in den Augen. »Warum, Vicente!«, schrie er anklagend. Einige Fluggäste sahen sich entrüstet nach ihnen um. »Warum hast du mir Claras Briefe vorenthalten?«

 
    14
    Abschied und Begegnung
    ANX
     
     
     
    Im Nachhinein kamen Topra die Worte des Teguarfürsten wie eine Weissagung vor. Während des Festes aus Anlass der Rettung seiner Tochter hatte Asfahan dem Seher verheißen: »Wenn es jemanden gibt, der das Geheimnis deiner Gaben zu lüften vermag, dann dort. Und auch für deine Suche nach Hobnaj von Meroe könnte dir das Orakel von Nutzen sein.« Beides hatte sich erfüllt. Leider wollte sich das Oberhaupt des stolzen Nomadenstammes nicht in Bezug auf die Erfolgsaussichten der Suche nach Gisa festlegen.
    In der Wüste begann gerade die heißeste Jahreszeit. Golo, das »trinkfreudige« Kamel, zeigte sich davon weitgehend unbeeindruckt. Die Pferde der Teguar dagegen benötigten in kürzeren Abständen Wasser. Einmal mehr bewunderte Topra die auf Erfahrung und Überlieferungen beruhende Fähigkeit der Nomaden, Wasserlöcher ausfindig zu machen. Nach einigen Tagen mussten Topra und fünf Leidensgenossen ihr Teguarhabit ablegen, sich in zerlumpte Kleidung stecken und Fesseln anlegen lassen. Von nun an reisten sie als Sklaven.
    Je näher sie dem Nil kamen, desto häufiger durchquerten sie kleinere Ortschaften. Im Allgemeinen interessierte sich die baqatische Polizei nicht sonderlich für die vermeintlichen Treiber und ihre menschliche Ware. Einmal sah sich Asfahan jedoch gezwungen einen hartnäckigen Reviervorsteher abzuwimmeln, der sich in Topra verguckt hatte. Er wollte »den Wohlgestalten Jüngling unbedingt kaufen« und drohte sogar mit seiner »amtlichen Autorität«. Erst als der Fürst die – von Hobnajs Freunden erstklassig gefälschten – Lieferpapiere vorzeigte und der Polizeioffizier darin die Anschrift »Millionenjahrhaus« las, gab er frustriert auf.
    Wohlbehalten erreichte der Tross Memphis.
    Der Nubier befand sich schon seit knapp einer Woche in der Hauptstadt. Zu seinen Freunden gehörten auch eine Reihe von Schiffseignern. Versteckt in einer verborgenen Kajüte hatte er den Hafen erreicht, der vor vielen Jahren Ausgangspunkt von Topras Odyssee geworden war. Unweit der Kaianlagen fanden die Freunde auch Quartier. Weil die Unterbringung von dreizehn Männern in einem Haus zu auffällig gewesen wäre, hatte Hobnaj die Gefährten auf insgesamt sechs Unterkünfte verteilt. Er, Topra und Asfahan zogen in ein halb verfallenes Gebäude, das zwischen zwei engen Gassen lag, ideal, wenn man sich in einem brenzligen Moment davonstehlen musste. Die Gegend genoss nicht gerade den besten Ruf, was den Beamten im Amjib und dem Einwohnermeldeamt sicher mehr Kopfzerbrechen bereitete als den heimlichen Besuchern.
    Über eine Kette von Mittelsmännern trat Hobnaj mit der Kontaktperson am Hof des Pharaos in Verbindung. Die Antwort kam schnell.
    »Übermorgen wirst du deine Mutter sehen«, berichtete der Nubier.
    Topras Herz machte einen Sprung. »Ich kann es noch gar nicht fassen. Das war bestimmt teuer.«
    Hobnaj grinste. »Es hält sich in Grenzen. Isfets ganzer Beamtenapparat ist korrupt – großes Angebot, niedrige Preise.«
    »Ich werde dir alles erstatten.«
    »Das ist nicht nötig, mein Junge, denn ich werde dir sowieso nie alles zurückzahlen können, was deine Mutter mir gegeben hat.«
    Die zwei Tage bis zum Gefängnisbesuch schienen nicht vergehen zu wollen. Doch selbst eine Schnecke kommt – solange sie kein hungriger Räuber erwischt – schließlich ans Ziel. Das Versteck im Hafenviertel war gut gewählt und der Amjib ahnte nicht, wer sich da anschickte, die Höhle des Löwen aufzusuchen.
    Das Millionenjahrhaus umfasste ein Areal von vier mal sechs Meilen. Seine Ursprünge reichten mehr als viereinhalbtausend Jahre zurück, was es so gut wie unmöglich machte, seine über- und unterirdische Vielfalt zu überblicken. Im Zentrum des Bezirks lag der prachtvolle Monumentalpalast, umgeben von ausgedehnten Parkanlagen mit einer Anzahl Seen, einem künstlichen Fluss und ungefähr einem Dutzend Tempeln, die den wichtigeren Göttern Baqats gewidmet waren. Wie ein steinerner Schutzwall reihten sich an der

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