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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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    Drei Augenpaare wandten sich ihm zu.
    »Von einem solchen Zimmer wird auf der Tafel nichts erwähnt«, sagte Xi und übersetzte die Bemerkung des Archäologen für den Abt. Wu Mengfu schüttelte ebenfalls den Kopf.
    »Sie wird auch manchmal die ›Halle der Aufzeichnungen‹ genannt«, knurrte Francisco. »Der Name geht auf einen Mann zurück, der nie existiert haben soll. In seinem mystischen Werk behauptet er, dieser Raum berge alles Wissen über Astronomie, Mathematik, Medizin, Alchemie und Magie.«
    »Ich kenne mich in der Ägyptologie nicht aus. Wer ist dieser geheimnisvolle Fremde?«, fragte Xi.
    »Man nennt ihn Hermes Trismegistos.« Francisco warf seinem Bruder einen finsteren Blick zu.
    Vicente bemerkte davon nichts. Er war von der Entdeckung noch ganz benommen. »Ich hätte nie vermutet, in einem chinesischen Kloster etwas über Imhotep zu lesen, Professor. Das ›Land der künstlichen Berge‹ – damit können nur die ägyptischen Pyramiden gemeint sein. Der Name Imhotep bedeutet ›gekommen in Frieden‹. Er war Hohepriester des Sonnengottes Re und ein ungemein vielseitiger Gelehrter, den man wohl auf eine Stufe mit Leonardo da Vinci stellen kann. In Heliopolis bekleidete er die Ämter des Vorlesepriesters und des Vorstehers der Ibis-Priesterschaft. Nach ägyptischer Vorstellung war es der Ibis, der den Menschen die Schrift brachte.«
    »Dieser Vogel, der mit seinem Schnabel in den Sand schreiben konnte, steht für den Gott der Wissenschaft und Magie, für Thot, dessen menschliche Inkarnation Hermes war«, ergänzte Francisco in fast drohendem Ton. Seine zunehmende Aggressivität blieb weder dem Professor noch dem Abt verborgen. Beide musterten ihn verwundert.
    Vicente wollte sich die gute Laune nicht verderben lassen und merkte lächelnd an: »Jedenfalls beinhaltete das Amt des Vorlesepriesters einen seltsamen, im mystischen Dunkel liegenden Kult. Er las der Bevölkerung an jedem einundzwanzigsten Tag des zweiten Monats der Winterjahreszeit – also am 21. Dezember, dem Tag der Sonnenwende – aus dem Buch der Weisheiten vor. Der Legende nach empfing Imhotep dieses Werk auf übernatürliche Weise vom Himmel, während er in der Wüste weilte. Das Buch enthielt unter anderem genaue Konstruktionspläne ebenjener ersten echten ägyptischen Pyramide, als deren Erbauer Imhotep gilt.«
    Xi kraulte sich den Bart. »Sie sagten gestern, Ihnen ginge es um den Weg des Lichts, der die Menschheit zur ›Neuordnung der Zeitalter‹ führen könnte. Was hat dieses Pyramidenbuch damit zu tun?«
    »Oh, das Buch der Weisheiten behandelt weit mehr als nur dieses Thema. Es soll ein Schatz großen Wissens sein. Manche halten es für ein Weisheits- und Einweihungsbuch, das Erinnerungen an die Zeit vor der Sintflut und die wahre Herkunft der Pharaonen enthielt. Das würde auch zu jenem sagenhaften Gemach passen, in dem es angeblich aufbewahrt wird. Diese ›Kammer des Wissens‹ war wohl so etwas wie eine zentrale Datenbank, in der die alten Ägypter die gesamten Kenntnisse ihrer Zeit aufbewahrten.«
    »Und darin hoffen Sie das Rezept zur Rettung der Welt zu finden«, kombinierte Xi. Seine Skepsis war unüberhörbar. Dennoch nickte er. »Jetzt leuchtet mir zumindest ein, warum Sie so aufgeregt sind.«
    Vicentes Gesicht glühte förmlich. Mit großen Augen bestaunte er noch einmal das Bild des jahrhundertealten Steindokuments auf dem Monitor des Laptops. »Ja«, flüsterte er. »Jetzt brauchen wir unsere Suche nicht mehr dem Zufall zu überlassen. Wir werden unverzüglich nach Ägypten aufbrechen.«
     
     
    Die Ausreiseformalitäten in Peking riefen den beiden Weltenbummlern in Erinnerung, dass China immer noch ein Land war, in dem das Recht auf freie Entfaltung erst noch entdeckt werden musste. Die sozialistische Wartegemeinschaft in der Abfertigungshalle des Flughafens harrte auf etwa vierzig Metern Länge der strengen Kontrolle durch eine mehrköpfige Kommission.
    »O Gott, lauter Frauen!«, stieß Vicente hervor, nachdem er sich zur Seite gebeugt und zu den uniformierten Grenz- und Zollbeamtinnen am Kopf der Schlange gespäht hatte.
    »Ich wusste gar nicht, dass du so ein Macho bist«, spöttelte Francisco.
    »Bin ich auch nicht. Ich hasse nur unnötige Komplikationen, und Frauen in der Uniform von Grenzbeamten sind die unbarmherzigsten Wesen, die ich kenne.«
    »Hast du denn etwas zu verbergen?«
    »Red keinen Unsinn! Ich will nur nicht die Maschine nach Paris verpassen.« Auf die Schnelle hatten sie keinen

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