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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Peripherie verschiedene Ministerien, darunter das des »Großen Hauses«, die Geheimpolizei und die oberste Militärführung sowie andere für einen funktionierenden Hofstaat unabdingbare Einrichtungen, etwa das bereits erwähnte Krankenhaus, die Kasernen der Leibwache und das Gefängnis. Vor ebenjenem hielt kurz vor neun Uhr morgens Topras Taxi.
    Er holte tief Luft und stieg aus dem Wagen. Fast unhörbar rollte der wasserstoffbetriebene Wagen davon. Der Besucher ging die Ehrfurcht gebietende Treppe hinauf. Der Eingang des Sandsteingebäudes war eingefasst von hohen Säulen, an denen uniformierte Posten mit Lichtkanonen standen. Topra machte sich noch einmal klar, dass die Besuchsgenehmigung in seiner Hand nicht gefälscht war. Es stand zwar nicht Gisas Name darauf – diese Gefangene existierte offiziell nicht –, aber das Papier würde ihn zu einer Vollzugsbeamtin bringen, die wisse, wie es dann weiterginge. So lauteten Hobnajs Instruktionen.
    »Ich habe da einen Besuchsschein. Wo muss ich mich damit melden?«, fragte Topra den Posten auf der rechten Seite des Eingangs. Der blickte so bewegungslos geradeaus, als wäre er schon mindestens seit tausend Jahren mit der benachbarten Säule verwachsen. Auch eine Wiederholung des Anliegens konnte ihn nicht aus seiner Starre erwecken. Topra versuchte es bei dem linken Wachmann, der offensichtlich ebenfalls zu Stein geworden war. Enttäuscht öffnete er die Tür und betrat das Gebäude.
    Mit einem symbolisch sehr bedeutsamen Knall fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Das Entree des stattlichen Baus hätte einem Gerichtsgebäude gut zu Gesicht gestanden, aber für eine Justizvollzugsanstalt wirkte es entschieden zu pompös. Topra legte den Kopf in den Nacken und versuchte im Halbschatten die Decke zu sehen. Mit Mühe gelang es ihm. Eine strenge Stimme bahnte sich den Weg zu seinem Bewusstsein.
    »Sie wünschen bitte?«
    Er wandte sich dem energischen Frager zu, einem wohlgenährten Beamten, dessen taubenblaue Uniform vor zehn Jahren noch gepasst haben mochte. Sein Formular wie einen Schutzschild vor sich haltend, wagte er eine vorsichtige Annäherung und sagte: »Ich habe eine Besuchsgenehmigung.«
    »Für wen?«, fragte der Beamte barsch.
    »Steht alles drauf.«
    Der runde Mann entriss dem Besucher das Formblatt und vertiefte sich darin. Seine unwillige Miene ließ erkennen, dass er nach Ablehnungsgründen suchte, aber sämtliche Felder waren akkurat ausgefüllt. Er seufzte. »Nichts zu machen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich wollte sagen, da ist nichts zu beanstanden.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Schon gut. Sie ahnen ja nicht, wie eintönig dieser Dienst ist! Setzen Sie sich da auf die Bank. Sie werden gleich abgeholt.«
    Nach etwa einer Stunde hörte Topra das aus den Tiefen des Gebäudes hallende Knallen von Absätzen. Die Schritte näherten sich. Bald tauchte am Ende eines langen Ganges eine kleine dralle Gestalt auf. Sie trug eine Uniform, bestehend aus einer engen Jacke mit Schulterstücken und Brusttaschen – was bei Männern noch angehen mochte, aber bei der Beamtin ziemlich aufgesetzt wirkte. Zur Rettung der weiblichen Note war ein wadenlanger Rock vorgesehen, dessen auffallende Weite sich im Kampfeinsatz gegen rebellierende Gefängnisinsassen bewährt haben mochte, von modischen Gesichtspunkten her jedoch eher dreizehnte Dynastie war. Ein Schild, das die linke Brust der Beamtin noch etwas stärker betonte, wies sie als »Frau Hobnuth« aus. Selbige streckte dem Besucher die Hand entgegen, aber als er ihr die seine zum Gruße reichen wollte, zog Hobnuth verärgert den Arm zurück.
    »Den Schein!«, blaffte sie Topra an. Vermutlich gehörte die Unhöflichkeit zu ihrer Tarnung. Er reichte ihr das Formular. Sie studierte es mit derselben Gründlichkeit, die zuvor schon der Portier an den Tag gelegt hatte, und sagte dann: »Folgen Sie mir!«
    Wie sich bald herausstellte, verdankte das Gebäude seine imposante Außenansicht hauptsächlich der Tatsache, dass oberirdisch nur Büros untergebracht waren. So konnte man die Fenster gitterlos halten, während sich die ganze Hässlichkeit des Kerkers in den Kellergeschossen entfaltete. Davon gab es, wie Topra noch feststellen sollte, etliche.
    Hobnuth lotste den Besucher in einen reichlich antiquiert wirkenden Fahrstuhl, dessen letzte Generalüberholung sich auf den Einbau der Überwachungskamera unter der Decke beschränkt haben dürfte. Die Vollzugsbeamtin schloss die zur Sicherung der Fahrgäste vorgesehene Scherengittertür und

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