Die unsichtbare Pyramide
unten herauf an. »Dein Humor gefällt mir.«
»Ich finde mich überhaupt nicht komisch. Eins würde mich noch interessieren: Warum hat deine Mutter nichts gegen Aabuwas ›Werben‹ getan? Bist du ein willfähriges Werkzeug irgendwelcher Rebellen, die nur darauf warten, dass du Aabuwa in der Hochzeitsnacht ein Messer ins Herz stößt?«
Eine dunkle Wolke verdüsterte Inukiths schönes Gesicht. Ihre Antwort klang spitz. »So ein Mädchen bin ich nicht.«
»Aber…«
»Hast du mir nicht zugehört? Der höchste Beamte des Reiches ist mein Vormund. Die Krone hat ihn dazu bestellt. Dieser verknöcherte Herzog küsst dem Pharao ständig die Füße. Apophis hat die Eheverhandlungen geführt und mich allzu bereitwillig an Aabuwa verschachert. Ich war nahe daran, meinem Liebsten in den Tod zu folgen, aber mir fehlte der Mut, Hand an mich zu legen. Vielleicht tu ich’s ja noch, wenn…«
»Nein!«, stieß Topra hervor und erschrak über seine eigene Leidenschaftlichkeit. »Du darfst nicht einmal daran denken. Es gibt einen anderen Weg. Wir müssen ihn nur finden.«
Inukith sah wieder auf diese Schwindel erregende Weise zu ihm auf und fragte: »Wir?«
Topra spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er beeilte sich, auf eine sachliche Ebene zurückzufinden. Tatsächlich waren die Mordgedanken von Inukiths strahlender Aura förmlich aus seinem Hirn gebrannt worden. Eben noch hatte er nach Rache gedürstet, jetzt war es Gerechtigkeit. »Im Grunde genommen verfolgen wir doch ähnliche Interessen. Wir mögen unseren Hass vielleicht unterschiedlich auf die kaiserliche Familie verteilen, aber grundsätzlich empfinden wir das Gleiche.
Isfet und seine Sippe haben genug gefoltert und gemordet. Ihrer Willkür muss ein Ende gemacht werden.«
»Das wirst du aber nie erreichen, indem du in sein Schlafzimmer stürmst und ihm die Kehle durchschneidest. Der Mann mag ein Spross des Übels sein, aber die Wurzel reicht tiefer, wenn nicht sogar bis in die Vorzeit zurück.«
Fast kam es Topra so vor, als spräche Inukith von demselben Frevel, den Fatima im Wüstenorakel Siwa angedeutet hatte, aber das war wohl nur eine Täuschung seiner überspannten Nerven. Mutlos ließ er den Kopf hängen. »Ich hätte auf meine Freunde hören sollen. Sie haben mir sowieso nicht zugetraut einen kaltblütigen Mord zu begehen und wollten mich von dieser Dummheit abhalten.«
»Du bist ein Glückspilz, solche Gefährten zu haben. Ich beneide dich darum.«
Topra sah wieder auf und sagte leise: »Vielleicht können wir ja Freunde werden.« Als die Worte heraus waren und ihre Blicke sich trafen, wurde er wieder rot.
Aber Inukith lächelte dankbar. »Darüber würde ich mich sehr freuen. Ehrlich gesagt, hätte ich mir nie erträumt, einmal Gisas Sohn zu begegnen, geschweige denn, von ihm ein solches Angebot zu bekommen.«
»Woher weißt du eigentlich, dass sie meine Mutter ist?«
»Ich möchte nicht darüber sprechen.«
»Vor knapp einem Jahr wäre ich beinahe den Häschern des Pharaos in die Hände gefallen. Hat er oder Aabuwa mich erwähnt?«
»Nein. Von dieser Sache weiß ich nichts. Die Geschichte von Gisa und der wundersamen Geburt ihres Sohnes in der Kammer des Wissens ist mir schon seit vielen Jahren so vertraut wie anderen Kindern die Gutenachtlieder ihrer Mütter. Das muss dir als Antwort genügen.«
Inukith hatte am Hof nur überleben können, indem sie ihre Geheimnisse hütete, dessen war sich Topra bewusst. Er wollte das zarte Pflänzchen ihrer Freundschaft nicht verletzen, indem er allzu heftig an einem Tabu rüttelte. Daher lenkte er das Gespräch auf ein nahe liegendes Thema.
»Es wird Zeit, dass ich gehe.«
Überraschend ergriff Inukith seine Hand. »Wenn du willst, helfe ich dir, dein Ziel zu erreichen.«
Ihre Berührung wirkte auf Topra wie ein mittlerer Stromstoß. Nachdem er das Kribbeln einigermaßen unter Kontrolle gebracht hatte, antwortete er: »Du meinst, unser Ziel.«
»Ja«, flüsterte sie.
»Wie willst du das tun?«
»Zunächst musst du diese Nacht überleben. Die Leibgarde im Millionenjahrhaus dürfte in den nächsten Tagen verschärft patrouillieren. Ich schätze, du wirst hier übernachten müssen.«
»Hier? In deinem Schlafzimmer?«
»Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen. Du gehst brav durch deine Geheimtür dort und nächtigst irgendwo in dem Versteck zwischen den Wänden. Ich sorge dafür, dass du auf die Liste für das Lever, die Frühaudienz des Pharaos, gesetzt wirst und dich unauffällig in die
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