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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Bombe mit Giftgas. Sie wird in etwa fünf Minuten ihren tödlichen Inhalt freisetzen. Wenn Ihr sie findet, seid Ihr in die große Familie des Millionenjahrhauses aufgenommen. Im anderen Fall seid Ihr ein Hochstapler, und wer den Pharao zu betrügen versucht, stirbt.«
    Topra registrierte, dass niemand ihn mehr fragte, ob er mit diesen »Spielregeln« einverstanden sei. Er schluckte einen dicken Kloß hinunter.
    »Habt Ihr den Prinzen verstanden?«, erkundigte sich der Pharao.
    »Ja, Majestät.«
    »Warum beginnt Ihr dann nicht mit der Suche?«
    »Weil ich auf Euren Befehl warte.«
    Das schien dem mächtigsten Mann der Welt zu gefallen. Er machte es sich in seinem Thron bequem und ließ den Prüfling zappeln.
    Topra wirkte äußerlich ungerührt. In Wahrheit suchte sein Geist längst nach der Bombe. Hinter den Bullaugen der Gasmaske schienen Isfets Augen zu lächeln. Die seines Sohnes blickten nur starr auf den Bewerber. Allmählich begannen einige der wenigen Höflinge, die der Prüfung beiwohnen durften, unruhig mit den Füßen zu scharren. Die Hand des Griffelhalters zitterte. Niemand schien große Lust zu verspüren, die Dichtigkeit der Gasmasken zu erproben. Topra hätte vor allem gerne gewusst, wie viel Zeit schon verronnen war. Wollte sich der Pharao einen Spaß daraus machen, ihn hier zur Belustigung seiner Höflinge zu vergiften? Durch seinen Geist hallten einzelne Satzfetzen, die er tags zuvor von seiner Mutter und später von Inukith gehört hatte. Sie gaben ihm die Kraft zum Ausharren. Schließlich sagte der Pharao seelenruhig: »Ihr könnt jetzt beginnen.«
    Auf dem Absatz drehte sich Topra um fast einhundertachtzig Grad und lief zielstrebig auf eine schwarze Granitstatue zu, die einen menschlichen Körper, aber den Kopf eines Löwen besaß. Der Bildhauer hatte ihr eine Art Trägerrock auf den gertenschlanken Leib gemeißelt. Ihr rechter Fuß war auf dem Sockel leicht vorgeschoben, als beabsichtige sie, jeden Moment zu gehen. Auf ihrem Kopf trug sie eine goldene Sonnenscheibe, in ihrer Linken lag das Ankh, ein Fruchtbarkeit symbolisierendes Henkelkreuz, und in der Rechten ein Stab in Form eines Papyrusstängels. Es handelte sich um die Göttin Sachmet, deren Name »die Mächtige« bedeutete. Sie galt als Unterstützerin des Pharaos im Kampf gegen seine Feinde. Seltsam, dachte Tropa, dass Isfet oder Aabuwa oder beide gerade diese Göttin für einen – wenn auch nur gespielten – Anschlag ausgewählt hatten.
    Er blieb vor der Statue stehen. Wollte man ihm eine Falle stellen? War das, was er jetzt tun musste, nicht eine beispiellose Respektlosigkeit gegenüber der weiblichen Wesenheit der memphitischen Triade? Nun, wenn er noch länger darüber nachdachte, würde er sterben. Er bückte sich und griff der Göttin unter den Rock.
    Dieser besaß – wie man bestenfalls auf dem Boden liegend hätte sehen können – zwischen den Beinen einen Hohlraum. Darin klebte die apfelsinengroße Bombe. Topra ging zum nächstbesten Leibwächter, packte den Rüssel von dessen Gasmaske und riss ihn nach oben. Darunter kam eine entsetzte Miene zum Vorschein. Der Leibgardist wagte allerdings nicht, in die Spielregeln des Pharaos einzugreifen und den frechen Bewerber aufzuspießen, sondern starrte die runde Gaskapsel, die Topra ihm vor das Gesicht hielt, nur wie vom Donner gerührt an.
    »Ich bin technisch unbegabt. Entschärfe du das!«, sagte der Bombensucher.
    Vom Thron her erscholl verhaltener Applaus. Isfet hatte offenbar Gefallen an den Fähigkeiten des Bewerbers gefunden. »Tu, was unser teguarisches ›Schwert‹ dir befohlen hat«, forderte er den Leibwächter auf, der die Bombe sofort an sich riss und ihren Zeitzünder ausschaltete.
    »Kommt!«, rief Isfet und winkte Topra zu sich heran.
    Während dieser die Halle durchquerte, flüsterte Aabuwa mit seinem Vater. Der Pharao nickte lächelnd. Als der Bewerber erneut neben dem sichtlich erleichterten Griffelhalter Aufstellung nahm, sagte Isfet: »Wie Ihr eindrucksvoll bewiesen habt, stellt Ihr die Loyalität für das Große Haus sogar über Euer eigenes Leben. Das gefällt mir. Ich nehme Euch in meine Dienste auf.«
    Topra verneigte sich. »Habt Dank, Majestät.«
    »Allerdings«, fügte der Herrscher Baqats hinzu, »möchte ich mich – da Ihr noch kein baqatischer Staatsbürger seid – auch zukünftig Eurer Treue versichern. Seid Ihr damit einverstanden?«
    Was meinte er damit? Topra ahnte eine neue Hinterlist des eifrigen Flüsterers an Isfets Seite, aber was konnte

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