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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Applikanten einreihen kannst. Isfet hält sich für einen guten Menschenkenner und lässt es sich daher nicht nehmen, zweimal wöchentlich etwa zwei Stunden lang höchstpersönlich nach klugen Köpfen für seinen Beamtenapparat Ausschau zu halten. Wenn es dir gelingt, ihn zu überzeugen, wirst du ihm bald näher sein, als du jemals für möglich gehalten hast.«
    Inukith hatte Topra noch vor Sonnenaufgang mit frischen Kleidern versorgt, die ihm bei dem Morgenempfang des Pharaos ein standesgemäßes Auftreten ermöglichten. Der so kurzfristig auf die Besucherliste gerutschte Kandidat wurde von verlässlichen Dienern an einem Ausgang der doppelten Wand abgeholt und zu den anderen Bewerbern und Bittstellern gebracht. Isfet verstand die auf acht Uhr anberaumte Audienz als Ausdruck seiner Volksnähe. In Wahrheit diente das Lever jedoch der Pflege eines Mythos, demnach jeder helle Kopf die Chance habe, als Quereinsteiger eine gehobene Karriere bei Hof zu machen. Natürlich waren die wenigen Besucher handverlesen.
    Endlich wurde Topra in den riesigen Thronsaal vorgelassen, einer eindrucksvollen Halle mit goldenen Papyrussäulen, prächtigen Wandmalereien, vollendeten Statuen und aufmerksamen Leibwächtern. Er musste ein ganzes Spalier von ihnen durchschreiten. Außerdem standen eine Reihe anderer Höflinge herum, deren Aufgabengebiet nicht ersichtlich war. Vor einem Podium wartete bereits ein kaiserlicher Beamter, ein älterer Glatzkopf mit nacktem Oberkörper, Wickelrock, einem digitalen Tonaufzeichnungsgerät und einem Notizblock. In Baqat kannte ihn jedes Kind. Es war Nefermaat, der Griffelhalter des Großen Hauses. Er deutete neben sich auf den Boden, wo dem Bewerber ein kleiner roter Strich anzeigte, bis wohin er gehen durfte.
    Isfet thronte mehrere Podeststufen höher auf einem prachtvollen Sessel aus Gold und Elfenbein. Neben ihm saß auf einem bescheideneren Möbel kein Geringerer als Aabuwa, der Kronprinz. Vater und Sohn trugen die gleichen weißen Uniformen der baqatischen Marine, beim Älteren haftete nur ein wenig mehr Glitter an der Brust. Das mächtigste Staatsoberhaupt der Welt betrachtete interessiert den aufrechten jungen Mann, dessen Haltung von Rückgrat zeugte und in dessen dunklen Augen nicht die Torheit manch anderer junger Heißsporne funkelte, die von einer Karriere bei Hofe träumten.
    »Nennt mir Euren Namen«, verlangte der Herrscher unvermittelt. Der Griffelhalter blickte überrascht von seinem Stenoblock auf. Normalerweise führte ein hoher Hofbeamter die Befragungen durch, an diesem Tag war dafür eigentlich der Prinz vorgesehen.
    »Mein Name ist Takuba«, antwortete Topra und täuschte den Akzent der Teguar vor.
    »Ihr stammt nicht aus dem Herzland?«
    »Meine Sippe ist seit vielen Generationen eng mit Baqat verbunden. Die Sklaven der Teguar genießen bei Hof einen guten Ruf.«
    »So, so, ein Wüstennomade seid Ihr also. Wo ist Euer Schleier, Takuba?«
    »Man sagte mir, vermummte Bewerber stünden bei Hof nicht hoch im Kurs.«
    Isfet lachte. »Ihr seid schlagfertig, Takuba. Das gefällt mir. Die Teguar sind für ihren Mut bekannt, aber auch für ihren Stolz. In meiner Leibwache leisten mir einige deiner Stammesbrüder treue Dienste. Takelot!« Der Pharao streckte den rechten Arm aus und ein Wächter – ebenfalls mit Plisseerock und nacktem Oberkörper – eilte herbei. Als der athletische Mann vor dem Podest stehen blieb, streifte Topras Blick seinen großen Speer. Einige Schalter deuteten darauf hin, dass es nur dem Anschein nach eine klassische Wurf- und Stoßwaffe war, in Wirklichkeit hielt der Leibgardist eine Lichtkanone in der Hand.
    »Sprecht zu ihm«, forderte Isfet den Bewerber auf und deutete damit auf die Wache.
    Topra blieb fast das Herz stehen. Er wandte sich dem Speer-träger zu und sagte: »Jamar, Takelot, an achwen tu immu al djefer popot ne samu alachai?«
    »Und?«, erkundigte sich Isfet ungeduldig.
    Der Leibwächter wirkte etwas verlegen. Er verbeugte sich in Richtung seines Herrn. »Der junge Mann, dessen Name ›Schwert‹ bedeutet, spricht einen südlichen Dialekt, aber ich konnte ihn trotzdem gut verstehen. Er sagte: ›Sei gegrüßt, Takelot, frierst du dich in dieser Uniform an kalten Tagen nicht zu Tode?‹«
    Pharao Isfet brach in schallendes Gelächter aus. »Der Junge macht mir Spaß! Du kannst zurück auf deinen Posten gehen, Takelot.« Schlagartig wurde das Staatsoberhaupt wieder ernst und richtete sein Wort erneut an den Bewerber. »Wir pflegen am Hof die alten

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