Die unsichtbare Pyramide
dem Konferenzraum versteckt worden: um seine Zuverlässigkeit zu prüfen. Hätte er versagt, wäre er schon nicht mehr am Leben. So funktionierte Isfets Staatsapparat.
Dank seiner Findigkeit stieg Topra im Ansehen der Vorgesetzten. Zwar war es ihm verboten, ohne Begleitung den Palastbezirk zu verlassen, doch innerhalb des Millionenjahrhauses durfte er sich – mit Ausnahme einiger sensibler Bereiche, für die ihm der passende Sicherheitsausweis fehlte – frei bewegen. Täglich kontrollierte er mit großer Gründlichkeit die Räume der kaiserlichen Familie und ihrer engsten Vertrauten. Zu diesem privilegierten Zirkel gehörte auch die Braut Aabuwas. Nicht ganz zufällig war Inukith fast immer zugegen, wenn der Bombenfinder seine Spürnase in ihre Gemächer steckte. Bei ihr suchte Topra stets besonders gewissenhaft.
Weil seine Gabe ihm in Sekunden verriet, ob ein Zimmer »sauber« war oder nicht, blieb für die jungen Leute gewöhnlich ausreichend Zeit, um sich ungestört zu unterhalten. Topra besaß ein sanftes, verständnisvolles und mitfühlendes Wesen. Inukiths Schicksal berührte ihn zutiefst und oft machte es ihn zornig. Anfangs täuschte er sich über die Gründe dieser Erregtheit mit Gemeinplätzen hinweg: Ihr war Unrecht widerfahren und er verabscheute eben jegliche Tyrannei, Punktum! Sie verdiente Trost, hatte ihm selbst gesagt, dass sie einen Freund brauche. Der wollte er ihr gerne sein.
Und so behandelte Topra sie mit der Achtung eines treuen Dieners, vielleicht nicht sehr viel anders, als Hobnaj einst seiner Mutter begegnet war. Inukith dagegen wurde ihrem neuen Leibwächter gegenüber immer zutraulicher. Oft neckte sie ihn, etwa indem sie süße »Sprengsätze« im Zimmer versteckte: pampelmusengroße Kugeln voller Pralinees oder gerollte Biskuits mit einer Zündschnur aus Persipan und dergleichen mehr. Anfangs entgingen diese Kalorienbomben seinem auf Explosiv- und Giftkörper geeichten Sinn, was Inukith ausreichend Gelegenheit gab, ihn zu schelten. Obgleich er sich bald auf die zuckrigen »Überraschungen« einstellte, ließ er ihr das Vergnügen und tat weiterhin so, als entgingen sie seiner Aufmerksamkeit.
Ihm war durchaus bewusst, dass Inukith mit ihren kleinen Scherzen jene Sorgen verdrängte, die sie mehr als alles sonst bedrückten. Sie sollte einen Mann heiraten, den sie verabscheute, und der Tag ihrer Hochzeit rückte unaufhaltsam näher. Topra gab sich alle Mühe, ihr Hoffnung einzuflößen. Immer häufiger verspürte er das Verlangen, sie in die Arme zu schließen und ihr leise Worte des Trostes ins Ohr zu flüstern, aber er tat es nicht, sondern wahrte Distanz.
Dafür gab es mehrere Gründe. Einerseits respektierte er sie viel zu sehr, um sich ihr gegenüber irgendwelche Freiheiten herauszunehmen, und andererseits konnte jederzeit ein Leibgardist oder gar Aabuwa persönlich ihre Gemächer betreten. Davon abgesehen war Topra ziemlich schüchtern. Inukith hatte das schnell bemerkt. Manchmal erinnerte sie ihren Beschützer daran, wie er nächtens so ungestüm in ihr Bett gesprungen war. Das reichte in der Regel aus, um sein Gesicht rot aufglühen zu lassen.
Ihm wurde immer deutlicher bewusst, wie unsterblich er sich in das Mädchen verliebt hatte. Und wie unerreichbar Inukith für ihn bleiben musste. Sie war dem Kronprinzen zur Ehe versprochen, der schon bewiesen hatte, dass er jeden Nebenbuhler brutal aus dem Weg räumen würde. Das Feuer in Topras Herz brannte lichterloh, als sich der erste Monat seines Dienstes dem Ende näherte. Seit einigen Tagen platzte er fast vor Ungeduld, wenn er die Gemächer des Palastes mit viel Aufhebens lange durchsuchte, nur um später mindestens die gleiche Zeit bei Inukith verbringen zu dürfen. Ihre blauen Augen strahlten jedes Mal, wenn er in ihr Zimmer trat. Offenbar fühlte sie genauso wie er.
Gelegentlich lenkte Topra das Gespräch auf den Pharao, seinen Kronprinzen und dessen Mutter. Inukith verbrachte fast täglich Zeit mit der kaiserlichen Familie. Vor allem die Brautleute hatten allerlei gesellschaftliche Verpflichtungen zu erfüllen. Die Medien feierten sie als das Traumpaar des Jahrhunderts. Topra interessierten vor allem jene leisen, vielleicht nur geflüsterten Äußerungen zwischen Vater und Sohn, die eigentlich nicht für fremde Ohren bestimmt waren. Wenn er Inukith fragte, ob sie rein zufällig etwas aufgeschnappt habe, reagierte sie oft schnippisch, was ihn anfangs stets aus der Fassung brachte. Er liebte sie doch! Und sie kämpften
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