Die unsichtbare Pyramide
Prinzen zu empfangen, aber er wusste ja auch nicht, worauf er achten musste. Der Pharao dagegen hatte freien Zugang zur Kammer des Wissens. Seine Priester mochten ihm die alten Geheimnisse offen gelegt haben. Vielleicht hatte er seinem Zögling Aabuwa Fähigkeiten vermittelt, von denen er, Topra, nicht einmal zu träumen wagte. Hatten sie ihn durchschaut?
Während er vergeblich ihre Machenschaften zu ergründen versucht hatte, war ihm die Zeit unter den Fingern zerronnen. Und übermorgen soll Inukith dieses Ekel heiraten! Wenn er nur daran dachte, geriet sein Blut in Wallung. Er brauchte die Hilfe seiner Gefährten. Höchstwahrscheinlich hatten sie längst ihre Verstecke im Hafenviertel geräumt und waren irgendwo anders untergeschlüpft. Deshalb befand er sich nun auf dem Weg zum Großen Basar von Memphis. Dort gab es einen Eisenwarenhändler, den ihm Hobnaj als Kontaktperson genannt hatte, falls der Besuch Gisas im Gefängnis in einem Fiasko enden sollte.
Eine eben zugestiegene fettleibige Frau in Schwarz trieb ihre lärmende Kinderschar durch den Gang zu den Stehplätzen im Heck des Busses. Als sie sich an Topra vorbeizwängte, riskierte er über ihren mächtigen Hintern hinweg einen verstohlenen Blick zu dem Spion. Der schwitzende Mann nutzte selbst gerade den Tumult, um nach seiner Zielperson Ausschau zu halten. Nur Topras gesenkte Lider verhinderten einen offenen Augenkontakt. Er musste den Spion schleunigst abhängen, und das auf eine möglichst unverfängliche Weise.
Der Bus bog in die Nilpromenade ein und mit einem Mal kam Topra die zündende Idee. Bei der Anlegestelle für die Ausflugsdampfer nickte er dem schrumpeligen Zahnlückengesicht zu und verließ die rollende Sauna. Ja, das passt!, triumphierte er im Stillen: Der Leibgardist gönnt sich in seiner Freizeit ein paar schöne Stunden auf dem Wasser. Wie erwartet, verließ auch der Spion das Fahrzeug und folgte der Zielperson in sicherem Abstand.
Auf dem Bootssteg drängten sich Reisegruppen und andere Fahrgäste, die den Wasserweg benutzten, um sich die Staus in den verstopften Straßen von Memphis zu ersparen. Topra suchte sich einen vollen Dampfer, dessen stampfende Schiffsmotoren das baldige Ablegen signalisierten. »Moment, ich will noch mit!«, rief er dem Bootsmann zu, der soeben die Gangway einholen wollte.
»Nu aber hurtig, junger Mann!«, spornte ihn der Seemann an.
Sicheren Fußes überquerte Topra die mit Querstreben verbundenen Planken. Während er sich bei dem Matrosen bedankte, hörte er hinter sich schon das Rufen des Spions.
»Halt! Warten Sie!«
Der Bootsmann seufzte, aber das war nur gespielt. In Baqat hielt sich kaum jemand an Fahrpläne oder Termine, schon gar nicht die Staatsbetriebe.
Topra hielt den Atem an. Hoffentlich überschätzte er seine Kräfte nicht. Während das übergewichtige Opfer herangehechelt kam, konzentrierte er sich auf den gewaltigen Schiffskörper. Einen Augenblick später fühlte er den Schwerpunkt des Dampfers, wie man eine Eisenkugel in der Hand wiegt. Und genauso konnte er ihn bewegen.
Als der Spion seinen Fuß auf die Gangway setzte, begann unvermittelt das Heck des Schiffes zur Flussmitte zu driften. Die Laufplanke zitterte. Der Mann kämpfte um die Balance. Das dicke Tau spannte sich und knirschte am Poller. Dann verschlug es dem Bootsmann die Sprache, denn das Kabel riss mit einem Knall entzwei. Der eiserne Schiffsrumpf schwenkte nun wie von einer Feder geschnellt herum. Und der Spion landete im Wasser.
Sofort herrschte helle Aufregung an Bord. Jeder Fahrgast wollte den im Fluss strampelnden und schreienden Mann sehen. Topra lächelte zufrieden. Genau so hatte er sich das vorgestellt.
Unter dem Beifall der Zuschauer wurde der Spion aus dem Nil gerettet. Obwohl er beteuerte, dass es ihm gut ginge, blieben der Skipper und seine Matrosen beharrlich in ihrer Sorge um das Wohlergehen des verunglückten Passagiers. Während sie noch darüber palaverten, ob die Beschaffung trockener Kleidung oder sonstige Hilfsmaßnahmen vonnöten seien, begab sich Topra unauffällig von Bord und suchte sich ein anderes Transportmittel.
Wenn im Sommer die Sonne unbarmherzig vom Himmel brannte, beschirmten den Großen Basar von Memphis bunte Tücher, die das unter ihnen liegende Gewirr aus Gassen und Straßen in ein märchenhaftes, vielfarbiges Licht tauchten. Das jahrtausendealte Händlerviertel in der Nähe des Hafens war ein unüberschaubares Sammelsurium unterschiedlichster Läden und Leute. Grossisten
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