Die unsichtbare Pyramide
er anderes tun, als zu antworten: »Wenn Euch der gerade erbrachte Beweis nicht ausreicht, Majestät, dann bin ich bereit, mich einer weiteren Prüfling zu unterziehen.«
Der Pharao nickte zufrieden. »So soll es denn sein, Takuba. Ab heute werdet Ihr das Zeichen der ausschließlichen Ergebenheit mir gegenüber tragen, einen goldenen Reif um Euren Hals. Ich nehme an, als Sohn eines tüchtigen Sklavenjägers wisst Ihr, was ein Bund ist?«
Es kostete Topra einige schlaflose Nächte, bis er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, von Isfet per Knopfdruck jederzeit des Kopfes beraubt werden zu können. Die wiederaufladbaren Batterien seines Bundes mussten alle zwei Wochen mit neuer Energie befällt werden, sonst explodierte der hübsche Reif ebenfalls. Und wie würde das hoch sensible Innenleben des Sklavenrings reagieren, wenn sich die Welten des Drillingsuniversums in nicht einmal zwei Monaten erneut ganz nahe kämen und der neue Bombenfinder des Hofes wie ein Komet aufglühte? Darüber mochte Topra vorerst lieber nicht nachdenken.
Immerhin genoss er eine gewisse Sonderstellung, zu deren Vorzügen auch eine angemessene Bekleidung gehörte. Er trug jetzt eine schwarze Uniform mit Barett, unterschied sich also deutlich von den Leibgardisten in der unmittelbaren Umgebung des Pharaos, die ja nicht nur der Sicherheit, sondern auch repräsentativen Zwecken dienten und traditionell spärlich gekleidet waren. Wäre er wie sie zum Dienst mit nacktem Oberkörper eingeteilt worden, dann hätte man ihm vermutlich längst das Haupt von den Schultern gesprengt – sein rotes Feuermal war ja unübersehbar. Da Teguarmänner sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, niemandem ohne angemessene Bekleidung zeigten, hatte er das Pyramidenzeichen bisher hinter einer vorgeschützten Schamhaftigkeit verbergen können, ohne Verdacht zu erregen.
Dank Inukiths Hilfe war er nun im Zentrum der Macht, oder »am Kopf der Schlange«, wie Asfahan zu sagen pflegte. Zu Topras täglichen Pflichten gehörte die Durchsuchung sämtlicher Gemächer des Hauptpalastes nach Explosiv- und Giftstoffen. Wenn Pharao Isfet Termine außer Haus wahrnahm, was ziemlich oft vorkam, dann musste Topra schon Stunden vorher das Terrain sondieren.
Bereits am zweiten Tag hatte er im Großen Konferenzsaal des Kriegsministeriums eine Ladung Plastiksprengstoff entdeckt. Sekundenlang war er von dem Fund regelrecht benommen gewesen und hatte gezögert ihn zu melden. Ja er spielte ernstlich mit dem Gedanken, die Bombe zu »übersehen«. Das von Asfahan so gerne zitierte Teguarsprichwort lautete: »Erwischst du den Kopf einer Kobra, ist der Rest nur noch ein Seil.« Würde auch von Baqats Willkürregime lediglich ein harmloses Tau übrig bleiben, wenn sein Kopf – der Pharao – erst unschädlich gemacht war? Hobnaj hatte das infrage gestellt. Er war sich mit Fatima, der Wächterin des Wüstenorakels Siwa, darin einig gewesen, dass Isfet »etwas Unheilvolles von gewaltiger Dimension« plante. Um seinen Plan ungehindert durchführen zu können, hatte der Pharao wohl auch den alten Hüter des Gleichgewichts umbringen lassen und beanspruchte nun dieses Amt für sich. Sollte er von einer Bombe zerfetzt werden, würden sämtliche Titel an seinen rechtmäßigen Thronfolger fallen, an Aabuwa. Dessen ehrgeizige Mutter würde schon dafür sorgen, dass nichts und niemand ihrem Zögling die Krone streitig machte, denn so konnte auch sie als Kaiserinwitwe weiterhin an der Macht teilhaben. Selbst ein gelungenes Attentat auf Vater und Sohn konnte diese Frau nicht von der Spitze des Reiches abschneiden. Ganz im Gegenteil würde in diesem unwahrscheinlichen Fall aufgrund des »Gesetzes zur Bewahrung der Dynastie« nicht etwa dem Sohn einer Konkubine, sondern ihr die uneingeschränkte Macht zufallen, weil sie als Regentin so lange herrschen konnte, bis der nächste legitime männliche Nachkomme des Pharaos die Volljährigkeit erreichte.
Nein, ermahnte sich Topra, blinde Rachgier benebelte nur die Sinne. Den Kopf der Schlange zu packen hieß, Probleme mutig und entschlossen, aber auch besonnen anzugehen. Es würde sich vielleicht nur eine einzige Gelegenheit bieten, gegen den Machthaber und seine Clique loszuschlagen. Topra wollte der Gerechtigkeit zum Triumph verhelfen. Deshalb hielt er seine Gefühle im Zaum und meldete die in einer Säule unter der Büste des Pharaos versteckte Sprengladung.
Im Nachhinein erwies sich dieser Entschluss als weise. Die Sprengladung war nur zu einem einzigen Zweck in
Weitere Kostenlose Bücher