Die unsichtbare Pyramide
wissen?«
»Schon als der blaue Lichtstrahl Aabuwa tötete, gab es eine gewaltige Erschütterung im Gefüge der drei Welten, die einen ganzen Tempel zusammenstürzen ließ. Wäre der Prinz nur wenig früher gestorben, als ihn während der fünften Welle die Kräfte des Drillingsuniversums viel stärker durchströmten, würde vermutlich ganz Memphis nicht mehr existieren.«
»Hat der Pharao dich deshalb vor dem Jähzorn seines verzogenen Sprösslings schützen wollen?«
»Vermutlich. Wenn er Aabuwa nicht opfern wollte, brauchte er mich lebend. Ich durfte nicht ›vor der Zeit‹ sterben, wie er selbst sagte, weil die sechste, die mächtigste Welle noch nicht herbeigekommen war. Fatima hat mich in der Schattenkammer gewarnt, dass Imhoteps Ritual nie wieder vollzogen werden darf. Wenn Aabuwa oder mich der Tod heute Nacht ereilt hätte…« Die Vorstellung war so grauenhaft, dass Topra sie nicht noch einmal aussprechen mochte.
»Isfet war ein Narr. Er muss doch auch von der Gefahr gewusst haben.«
»Ja, aber seine Machtgier ließ ihn unvorsichtig werden. Er glaubte, die Kräfte des Drillingsuniversums an sich binden und damit auch ihre drei Welten beherrschen zu können.«
Hobnaj warf einen kurzen Blick auf den Toten am Beckenrand und schüttelte den Kopf. »Ich bin froh, dass es nicht dazu gekommen ist.«
»Es hätte niemals gelingen können, da bin ich mir ziemlich sicher.« Topra deutete mit der Faust auf seine Brust. »Es ist nur ein Gefühl, tief hier drinnen. Ich glaube, es hängt mit dieser einzigartigen Nacht zusammen und vermutlich auch mit diesem besonderen Ort, an dem meine Mutter mich geboren hat. Das Drillingsuniversum pulsiert wie mein Herz, ich kann es spüren. Niemand darf es daran hindern, Hobnaj, denn der Stillstand würde seine Harmonie zerstören. Nur wenn die drei Welten weiter im Gleichgewicht schwingen, wenn sie sich gemäß ihrem eigenen Rhythmus bewegen, werden sie blühen und gedeihen.«
Der Nubier kannte Topra inzwischen gut genug, um den beschwörenden Klang seiner Stimme richtig zu deuten. Was der Hüter des Gleichgewichts »nur ein Gefühl« nannte, war in Wirklichkeit eine Erfahrung, die nur ihm in diesem Raum zuteil wurde. So ergreifend diese Einsicht für Hobnaj auch war, stimmte sie ihn zugleich traurig. »Dann wird es nie wieder eine Einheit der vor langer Zeit zerspaltenen Welt geben?«
»Sind denn Einheit und Verschiedenheit Widersprüche? Ich bin von Seeleuten erzogen worden, habe die Gastfreundschaft von Piraten genossen, lernte bei den Teguar die Wege der Wüste und den Wert manch anderer unsichtbarer Dinge kennen, ich durfte an Fatimas Weisheit nippen und von deiner Selbstlosigkeit zehren – in den letzten Monaten habe ich entdeckt, welcher Reichtum in der Vielfalt steckt. Pharao Isfet wollte sich das Drillingsuniversum unterwerfen, weil er Baqats Kultur für überlegen hielt, aber nach allem, was ich auf meiner Wanderschaft gelernt habe, und mit dem, was ich im Augenblick fühle, kann ich seine Denkweise nur als gefährlichen Irrtum ansehen. Wer weiß, wenn die Menschen ihre Unterschiedlichkeit nicht mehr als einen Makel empfinden, den man ausmerzen muss, können die drei Welten vielleicht sogar wieder zueinander finden.«
»Solltest du je einen Botschafter für diese Mission brauchen, dann frag zuerst mich.«
Topra nickte abwesend und gab endlich dem Drängen seines Herzens nach. Schnell watete er durch das Becken, kletterte auf die Insel und stellte sich neben Wira. Sanft streichelte er über Inukiths Haar. Dabei fühlte er eine starke Beule an ihrem Kopf, aber auch den beruhigenden Puls an ihrer Schläfe. »Isfet hat fest zugeschlagen. Wie geht es ihr, Wira?«
Inukiths Mutter war schon wieder ganz die alte energische Hebamme. »Sie atmet weiter normal und ihr Herz schlägt kräftig. Ihr Schädel wird brummen, wenn sie aufwacht. Schlimmstenfalls hat sie eine Gehirnerschütterung. Aber das kriegen wir wieder in Ordnung.«
Mit einem Mal schöpfte Inukith tief Atem und bewegte die Lippen.
»Ich glaube, sie kommt zu sich«, sagte Wira.
Topra ergriff die Hand des Mädchens und Inukith schlug die Augen auf.
»Topra!«, hauchte sie. »Wo ist…?« Sie drehte den Kopf, gewahrte ihre Mutter und wandte sich mit fragendem Ausdruck wieder ihrem Retter zu.
»Isfet ist tot.« Topra küsste sie auf die Stirn. »Ich hatte solche Angst um dich.«
Sie lächelte, obwohl es sie große Mühe kostete. »Dann müsstest du mich jetzt eigentlich verstehen.«
»Weil du Aabuwa das
Weitere Kostenlose Bücher