Die unsichtbare Pyramide
trocken. Er starrte in die irr glänzenden Augen des Pharaos und begrub endgültig seine Hoffnungen, diesen zu einem Sinneswandel zu bewegen. Inukith atmete schwer, nur die Spitze der Kristallklinge an ihrer Kehle konnte sie davon abhalten zu toben. Irgendwie musste er sie, ihre Mutter und sich selbst aus der Hand des offenbar verrückt gewordenen Machthabers befreien. Topra sah beklommen auf den blauen Dolch in der Hand des Pharaos. »Und wie wollt Ihr das tun?«
Isfet gab sich amüsiert. Mit der freien Hand deutete er nach links zu der Wand, an der Wira unermüdlich gegen ihre Ketten kämpfte. »Lies selbst, was Imhotep uns überliefert hat. Neben seiner Namenskartusche dort drüben ist das Emblem der Unsichtbaren Pyramide verborgen. Kannst du es sehen?«
»Nein«, knurrte Topra, obwohl er die betreffende Stelle in den zahlreichen Textspalten zu kennen glaubte. In der Schattenkammer – die von dieser hier ein ziemlich genaues Abbild war – hatte er besagtes Symbol ja sogar zweimal erblickt. Leider konnte er die Hieroglyphen nicht entziffern.
Isfet mimte den Untröstlichen. »Wie schade! Dann werde ich dir beim Ritual der Verschmelzung wohl helfen müssen. Komm herüber zu mir, damit wir beginnen können.«
»Und Inukith?«
»Sie darf ihrer Mutter Gesellschaft leisten.«
»Ich fordere, dass du sie sofort freilässt.«
»Du hast überhaupt nichts zu fordern.«
»Dann werde ich das Bassin nicht durchqueren.«
»Na schön. Wenn du für Verhandlungen nicht zugänglich bist, dann machen wir es eben auf die altmodische Art.« Isfet verstärkte den Druck der nadelfeinen Spitze an Inukiths Hals.
Sie schrie vor Schmerz auf, fügte aber sogleich hinzu: »Nimm keine Rücksicht auf mich, Topra, und flieh, ehe…«
Der Pharao holte jäh mit dem Dolch aus. Topra schrie vor Angst und ohnmächtiger Verzweiflung auf. Auch Wira würgte einen gedämpften Schrei heraus. Isfets Hand sauste herab. Aber nicht die Dreiecksklinge des Saphirmessers traf die Schläfe des Mädchens, sondern das halbrunde Endstück des Knaufs. Ihr Kopf sank zur Seite.
»Was habt Ihr getan!?«, brüllte Topra. Er stand kurz davor, ins Becken zu springen.
»Sie war mir zu geschwätzig. Jetzt schläft sie, bis alles vorüber ist.«
Topra schäumte vor Wut und war außer sich vor Sorge. Fatima hatte Recht behalten. Er durfte dem Pharao nicht trauen, sich ihm auf keinen Fall in die Hand geben, denn sonst würde etwas Schreckliches geschehen. Sein Blick wanderte nach rechts, wo die besorgte Mutter des besinnungslosen Mädchens an ihren Ketten zerrte und zornige Laute ausstieß. Plötzlich hatte er eine Idee. Er konnte mit seiner Kraft zwar nicht die Wasserbarriere überwinden, aber sehr wohl die stumme Gefangene erreichen, die wie er außerhalb des Bassins gegen ihre Fesseln kämpfte.
Isfets Kopf flog zu Wira herum, als aus ihrer Richtung unvermittelt ein Knirschen erscholl. Der Fackelhalter löste sich aus der Wand und fiel samt einem Stück der Granitverkleidung und der Kette zu Boden. Inukiths Mutter ging sofort mit schwingender Kette auf Angriffskurs.
»Bleib, wo du bist, Wira!«, rief Topra. Seine Rechte war abwehrend der Hebamme zugewandt, in der Linken schwang er überraschenderweise einen aufgebogenen goldenen Halsring und warf ihn in Richtung des Pharaos.
Isfet erstarrte vor Schreck, als er den zerknickten Bund durch die Kammer des Wissens fliegen sah. Unfähig sich zu rühren, hörte er nur ein kurzes Platschen, als der Sklavenring hinter ihm ins Wasser fiel. Einen Moment lang verfolgte jeder gespannt die sich ausbreitenden Wellenringe. Dann zerfetzte eine Detonation die Stille. Das Wasser im Becken wurde zur Decke emporgeschleudert. Die Druckwelle rollte fast wirkungslos über das flach auf dem Sarkophag liegende Mädchen hinweg, aber den stehenden Pharao brachte sie ins Wanken; er ruderte, um sein Gleichgewicht kämpfend, mit den Armen in der Luft und fiel schließlich rücklings ins Becken. Topra nutzte unterdessen die Verwirrung, um auf höchst eigenwillige Weise zum Angriff überzugehen. Für Wira sah es so aus, als schwebe er zunächst um das Bassin herum und dann direkt auf den Pharao zu. Mitten über dem Becken riss Topras Kraft ab und er fiel herab. Isfet prustete und war in dem knietiefen Wasser noch damit beschäftigt, wieder auf die Beine zu kommen. Ehe ihm das ganz gelang, hatte Topra ihn erreicht.
Nun entfesselte sich ein Kampf auf Leben und Tod. In seiner Jugend war der Pharao ein gefürchteter Kämpfer gewesen. Immer noch
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