Die unsichtbare Pyramide
Ein paar Leibgardisten könnten auf die Idee kommen, sich hier unten zu verschanzen, und uns dabei den Fluchtweg abschneiden.«
Topra half Inukith von dem Sarkophag zu steigen. Er versuchte sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
»Ich bin so froh, dass alles zu Ende ist«, sagte sie erleichtert.
Mit einem Mal spürte er, wie sie sich verkrampfte. »Was ist?«
»Deine Hände, Topra. Es sieht aus, als würden sie leuchten.«
»Genau so war es am Tag seiner Geburt!«, stieß Wira hervor.
Hobnaj hatte den Glanz schon mehrmals gesehen und erklärte ruhig: »Seine sechste Welle nähert sich ihrem Höhepunkt.«
Plötzlich ging ein Zittern durch die Kammer des Wissens.
»Was ist das? Ein Erdbeben? Ein Bombeneinschlag?«, flüsterte Inukith ängstlich.
Hobnaj schüttelte ernst den Kopf und deutete auf das Wasser im Bassin. An der Oberfläche tanzten Millionen winziger Tröpfchen. »Weder das eine noch das andere, vermute ich. Ich habe so etwas noch nie gesehen.«
»Schaut, da drüben!«, sagte Topra und deutete aufgeregt zur anderen Seite des Sarkophags. Eine blau strahlende Wolke bildete sich über dem perlenden Wasser. Zunächst blickte er nur in einen konturlosen Nebel, aber dann nahmen die Erschütterungen in der Kammer an Heftigkeit zu und gleichzeitig schälten sich Umrisse aus den blauen Schwaden. Als Erstes wurde ein menschlicher Schemen sichtbar. Er stand auf einem Fußboden aus dunklen und hellen Platten, die wie auf einem Spielbrett angeordnet waren. Überall lagen Trümmer herum. Bald tauchten Säulen auf und – ein weiterer Sarkophag!
»Wer… wer ist das?«, stammelte Inukith und deutete auf die Gestalt, die nun immer klarer wurde.
Traurig streichelte Topra ihre Wange. »Der, den mein Geist vorhin herbeigerufen hat: mein Zwilling.«
»Dein…? Was hat das zu bedeuten?«
»Dies ist erst der Anfang vom Ende. Die Entscheidung steht uns noch bevor.«
17
Unter der Kuppel
Trimundus
Sich in den Tunneln der Badda ohne Führer zurechtzufinden war so gut wie ausgeschlossen. Wenn man dabei auch noch dreiundzwanzig dicke Bücher mit sich herumschleppen musste, dann wurde das Unterfangen zu einer Tortur. Aber wohin sonst hätte Trevir vor Mologs Zögling fliehen sollen? Der Sprung in die Gänge unter der Britannischen Bibliothek war ohnehin mehr ein Reflex gewesen, weil er diesen Fluchtweg schon beim letzten Zusammenprall mit Wulfweardsweorth benutzt hatte.
Gerne hätte er sein schweres Bücherbündel vorausgeschickt, es einfach in Ceobbas Palast versetzt, aber die Begegnung mit seinem wesensverwandten Kontrahenten hatte ihn erschöpft. Zudem fehlte ihm die Orientierung. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo sich der runde Hohlzylinder befand, der den Hofstaat der Badda beherbergte. Mehr schlecht als recht bemühte er seine Findergabe, die nach dem Vorüberschwappen der fünften Welle in ihm nur noch wie ein Kerzendocht glimmte, um sich nicht heillos zu verirren. Wie lange würde es dauern, bis auch Wulf sich erholt und die Verfolgung aufgenommen hatte?
Wenigstens konnte er sich auf Orrik verlassen. Die Fledermaus hatte sämtliche Turbulenzen der vergangenen Stunde unbeschadet überstanden. Jetzt meldete das Fiepen des Winzlings wieder jedes Hindernis, bevor der Baddaumhang es mit seinem schwachen Licht erreichte. Gemeinsam schaffte es das ungewöhnliche Gespann, bis in die große Halle des Piccadilly Circus vorzudringen. Sie war verlassen. In der Luft hing noch der Brandgeruch, der vom Eindringen des Schwarzen Heeres zeugte. Trevir überquerte die Plattform und verließ das Gewölbe über den eisernen Pfad. »Wo geht es auf die nächste Ebene hinab?«, murmelte er nach einer Weile ergebnislosen Hin- und Hertappens. Ein Gefühl der Beklemmung machte sich in ihm breit. Mit aller Kraft zwang er seinen Geist auf dieses eine Ziel. Nach einigem Suchen fand er tatsächlich den nach unten führenden Schacht.
Er war verschlossen.
Die Badda hatten den Zugang gut getarnt. Er lag unter einer dicken Schmutzschicht. Trevir klopfte mit der Spitze seines Stabes gegen den Panzer aus getrocknetem Dreck. Es klang nicht im Geringsten hohl. Nein, mit Herumstochern allein würde er dieses Hindernis nicht durchdringen können. Dann also mit der anderen Methode, dachte er, schloss die Augen, konzentrierte sich auf den Schacht hinter der Barriere, ging sozusagen mental in die Knie, machte einen Schritt nach vorn und stieß sich gleichzeitig mit aller Gedankenkraft ab.
Ebenso gut hätte er auf der
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