Die unsichtbare Sonne
Edelster, keine Gewalttätigkeiten, bis wir wissen, ob sie wirklich erforderlich sind. Das ist alles nur ein bedauerliches Mißverständnis.« Er nickte Chee freundlich zu, die ihn wütend, aber hilflos anstarrte, und zermalmte gleichzeitig das Funkgerät unter seinem Fuß. »Ich schicke sofort einen Boten los. Bis zu seiner Rückkehr werden Sie so rücksichtsvoll behandelt, wie es die Umstände gestatten.«
»Augenblick!« protestierte Lalnakh. »Ich bin Kommandeur der Garnison.«
»Aber Sie müssen berücksichtigen, lieber Freund, daß vielleicht doch noch eine Verständigung möglich ist.«
»Das bezweifle ich. Diese Fremden sind Dämonen oder von Dämonen besessen. Aber meinetwegen übernehmen Sie die Verantwortung für diesen Fall, solange ich die Sicherheitsvorkehrungen kontrollieren kann. Außerdem lasse ich das fliegende Haus bewachen. Meine Soldaten nehmen ein Katapult mit, damit sie den Riesen töten können, wenn er auftaucht.«
»Nun«, meinte Gujgengi nachdenklich, »das ist vielleicht gar keine schlechte Idee.«
7
Falkayn hatte das Bewußtsein nicht völlig verloren, sondern befand sich nur in einem Zustand geistiger Auflösung, als habe er erheblich zuviel getrunken. Seine Gedanken strebten in zehn verschiedene Richtungen auseinander, ohne daß er sich auf eine bestimmte Idee hätte konzentrieren können. Er nahm undeutlich wahr, daß er schwankend an einer Wand lehnte, während irgend jemand ihm Jacke, Hemd und Hose auszog, bis er nur noch in der Unterwäsche dastand und mit den Zähnen klapperte.
»Hilf mir, Owen«, murmelte Stepha. »Sein Diener muß bald wieder zurückkommen …« Der Blonde rollte ein Kleiderbündel auf und gab Stepha nacheinander einzelne Uniformstücke aus grobem Tuch: die Ausrüstung eines Kavalleristen der Ershoka. Stepha zog Falkayn wieder an, was nicht einfach war, weil er sich kaum auf den Beinen halten konnte, obwohl der Rothaarige ihn stützte.
Aber die betäubende Wirkung ließ allmählich nach. Falkayn hätte fast um Hilfe gerufen. Trotzdem tat er es nicht, weil er erkannte, daß der Versuch erfolglos bleiben mußte. Vielleicht später. Er fühlte sich wieder sicher auf den Beinen, der Raum drehte sich nicht mehr vor seinen Augen, und jetzt schnallte ihm jemand den Gürtel mit dem Dolch um …
Stepha tat es. Falkayn hätte den Dolch ziehen und ihr in den Rücken stoßen können, während sie vor ihm kauerte. Aber das wäre eine schreckliche Verschwendung gewesen. Falkayn beugte sich nach rechts, drehte sich halb nach dem Rothaarigen um, griff blitzschnell nach dem Dolch und wollte ihn dem Mann in die Brust stechen.
Wollte! Der Dolch hatte jedoch keine Klinge, sondern nur einen kurzen Ansatz, der kaum dazu ausreichte, die Waffe in der Scheide zu halten. Der Ershokh hatte bestimmt einen Bluterguß davongetragen, denn er wich mit einem gemurmelten Fluch zurück. Falkayn stolperte auf die Tür zu. Als er den Mund öffnete, um seinen Diener zu rufen, packte der Blonde ihn an den Armen, während Stepha nach dem feuchten Lappen griff. Sie stopfte ihm den Lappen in den Mund.
Während er langsam zu Boden ging, hörte er sie großzügig und anerkennend flüstern: »Ein netter Trick. Sie sind wirklich gerissen, aber damit haben wir gerechnet.«
Sie bückte sich und wollte Falkayns Strahler und die Lähmpistole aufheben. »He!« sagte der Blonde. »Laß den Kram liegen.«
»Aber das sind seine Waffen«, erklärte Stepha ihm. »Ich habe euch doch gesagt, was man damit alles anfangen kann.«
»Wir wissen aber nicht, ob sie irgendwie verhext sind. Laß sie liegen, sage ich.«
Der Rothaarige, der noch immer seine Rippen betastete, stimmte zu. Stepha schien nicht einverstanden zu sein, wußte aber, daß sie nicht genügend Zeit für eine längere Diskussion hatten. Deshalb erhob sie sich seufzend. »Schön, dann legen wir sie in den Schrank hier, damit sein Diener glaubt, er sei nur für kurze Zeit nach draußen gegangen. Los, kommt mit, wir haben es eilig!«
Falkayn stolperte zwischen den beiden Männern In den Korridor hinaus. Er war so betäubt, daß er nicht mehr wußte, was diese Leute mit ihm vorhatten und völlig mechanisch gehorchte. In diesem Teil des Palastes waren nur wenige Leute unterwegs. Auf der Treppe kam ihnen sein Diener entgegen, der einen Tonkrug schleppte. Der Ikranankaner erkannte ihn in dem neuen Kostüm nicht wieder. Auch die anderen Höflinge, die sich im Erdgeschoß aufhielten, schienen nicht zu ahnen, wer an ihnen vorbeigeführt wurde.
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