Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unsterbliche Braut

Die unsterbliche Braut

Titel: Die unsterbliche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
Vom Netzwerk:
wirklich lernen, wann es klüger ist, zu lügen, statt die Wahrheit zu sagen.“
    „Dafür sehe ich keinen Grund“, gab er zurück. „Dann wärst du nur sauer, dass ich nicht ehrlich war.“
    Natürlich hatte er recht, aber das half mir auch nicht weiter. „Also, was ist passiert?“, wollte ich wissen. „Was ist so anziehend an dieser selbstsüchtigen Kuh, dass sie den halben Rat um den kleinen Finger wickeln konnte?“
    Langsam schritten wir über die Wiese, und keiner von uns sagte ein Wort, während der blecherne Klang von Jahrmarktsmusik in der Luft lag. Avas und Persephones entrüstetes Keifen rückte in den Hintergrund, bis ich mir fast hätte vormachen können, auf der Wiese wären nur wir drei: ich, James und der riesige Elefant, der hinter uns hertrottete.
    „Wir waren befreundet, bevor sie Henry geheiratet hat“, erklärte er schließlich nach einigen Minuten. „Sie und ich waren damals die jüngsten Ratsmitglieder und haben uns gut verstanden. Wir waren etwa im selben Alter, und keiner von uns hatte die Übergangsriten durchschritten, die die anderen bereits erlebt hatten, und …“ Er zuckte mit den Schultern. „Es war entspannt, das war alles.“
    Ich entdeckte einen großen abgebrochenen Ast und kniete mich hin, um die Splitter aufzusammeln. Die Augen auf den Boden gerichtet, gesellte James sich dazu.
    „Als ihre Ehe mit Henry zu zerbrechen begann, war ich für sie da“, fuhr er fort. „Während ich die Toten an den richtigen Ort führte, verbrachte ich eine Menge Zeit in der Unterwelt, und wenn sie eine Schulter zum Ausweinen brauchte, kam sie zu mir.“ Er zögerte. „Als Henry ihr angeboten hat, sie für sechs Monate eines jeden Jahres fortzulassen, hat sie die Gelegenheit mit beiden Händen ergriffen, und wir haben angefangen, auch in der Welt oben Zeit miteinander zu verbringen. Eins kam zum anderen …“ Er sprach nicht weiter, und das musste er auch nicht.
    „Wie lange ging das so?“, fragte ich, während mir übel wurde.
    James war der Erste gewesen, mit dem sie Henry betrogen hatte. Er war Henry näher als jedes andere Ratsmitglied; er musste gewusst haben, was er ihm damit antat, und trotzdem hatte er es getan. Hatte zugelassen, dass Persephone ihn so benutzte. Er hatte mehr getan, als zuzulassen, dass sie Henry verletzte: Er hatte ihr dabei geholfen.
    „Ein paar Hundert Jahre“, antwortete er und musste meinen Gesichtsausdruck gesehen haben, denn hastig fügte er hinzu: „Mit Unterbrechungen und immer nur im Frühling und Sommer. Irgendwann hat sie dann Adonis getroffen, und die Katastrophe nahm ihren Lauf. Ich bin dabei auf der Strecke geblieben.“
    „Du Armer“, murmelte ich sarkastisch.
    Er lächelte schwach. Schließlich ergriff ich den letzten Stock in der näheren Umgebung, und gemeinsam erhoben wir uns. „Nein“, widersprach er. „Wir waren sowieso immer eher Freunde als ein Liebespaar. Davon abgesehen hat es die Arbeit mit Henry ziemlich erschwert.“
    Es war eine Sache, hinter Henrys Rücken herumzuturteln, aber etwas ganz anderes, eine Beziehung mit seiner Frau zu führen, wenn er sich dessen voll bewusst war. „Er wusste es und hat nicht versucht, dich umzubringen?“
    „Natürlich nicht“, antwortete James leise lachend. Ich wusste nicht, was daran so lustig sein sollte. „Bei uns ist alles ein offenes Geheimnis, Kate. Das wirst du schon noch sehen.“
    Ich war mir nicht so sicher, dass ich das noch wollte, wenn ich hier überhaupt lebend rauskam, doch es würde eh keine Rolle spielen. An Ort und Stelle beschloss ich: Wenn ich bleiben würde, falls Henry mich immer noch hierhaben wollte, nachdem dieses Chaos beseitigt war, würde ich ihn niemals betrügen, nicht einmal während des Sommers. Und vor allem nicht mit James.
    Und doch hatte ich meine gesamten sechs Sommermonate mit James verbracht, nicht wahr? Was für mich ein netter Zeitvertreib an der Seite eines guten Freundes gewesen war, hätte sich Henry leicht als romantischen Urlaub ausmalen können. Wenn er wirklich die ganze Zeit nicht nach mir gesehen hatte,während ich mit James in Griechenland gewesen war …
    Oh Gott.
    Die Dinge, die Henry sich vorgestellt haben musste … Mir wurde schwindlig, und auch das letzte bisschen Gefühl, das ich für James zu entwickeln begonnen hatte, erlosch. „Du hast gewusst, wie Griechenland für ihn ausgesehen haben muss, und hast es mir nicht gesagt?“
    James zuckte zusammen. „Es hat keine Rolle gespielt. Du und ich, wir wussten, dass wir nur als

Weitere Kostenlose Bücher