Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unsterbliche Braut

Die unsterbliche Braut

Titel: Die unsterbliche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
Vom Netzwerk:
Nichts, was ich sagte, könnte Henry aufhalten, aber wenn ich entkäme …
    „Den nächsten Stab, los!“, rief Calliope.
    Henry schloss die Augen und presste seine Hand gegen den zweiten Gitterstab. Als auch der riss, lockerte ich die Kette immer weiter, während Calliope zu abgelenkt war, um es zu bemerken. Ihr gesamter Körper schien vor Aufregung zu beben, und aus dem zerbrochenen Teil des Tors strömte der Nebel hervor.
    Henry war fast nicht mehr zu sehen, und von Calliope konnte ich nur noch eine Silhouette erkennen. Anders als der Nebel in den Kettengliedern schmerzte dieser hier nicht; so wie in der Wüste fühlte er sich an wie Federn auf meiner Haut.
    Endlich glitt mein Kopf aus der Schlinge, und ich war frei. Jetzt musste ich nur noch den Ausgang finden. Wenn Henry so langsam weitermachte, hätte ich sogar noch Zeit, die anderen zu befreien, und vielleicht konnten die ihn wieder zur Vernunft bringen.
    Doch meine Füße waren wie am Boden festgenagelt. Nicht durch eine fremde Macht, sondern weil ich Henry nicht alleinlassen konnte. Wenn er aufhörte, würde Kronos ihn vernichten. Er würde uns alle vernichten. Das konnte ich nicht zulassen.
    Es war die härteste Entscheidung, die ich je hatte treffen müssen, doch ich blieb. Insgesamt bestand das Tor aus zehn Gitterstäben. Mit jedem, den Henry zerstörte, wurde Calliope aufgewühlter, bis sie die Kette ganz fallen ließ. Auf und ab hüpfend klatschte sie in die Hände und stieß schrille Schreie aus. Mir wurde speiübel. Es war zu spät.
    Die Zeit schien stillzustehen, durch den Nebel wirkte alles gedämpft. Und in diesem Augenblick, als die Welt verstummte, drang ein Flüstern an mein Ohr – aus Richtung der Höhle. Heftig pochte mir das Herz. Die anderen waren wach.
    Als ein siebtes Krachen durch die Höhle hallte, lachte Calliope vergnügt auf, und aus dem Nebel packte jemand mein Handgelenk. Hektisch versuchte ich mich zu befreien, doch dann streifte das kalte Metall eines Eherings meine Haut, und ich hielt inne. Henry. Was versuchte er zu tun? Hatte er es sich anders überlegt? Es waren nur noch drei Gitterstäbe, und es würde nur Sekunden dauern, bis Calliope bemerkte, dass er nicht mehr tat, was sie wollte. Kronos umgab uns, und alles, was es brauchte, war – na ja, ich war mir nicht sicher, was genau, aber er würde jeden Einzelnen von uns töten, wenn Henry sich nicht an die Vereinbarung hielt.
    Und dann drückte er mir eine schmerzhaft heiße Kette in dieHand. Calliope hörte auf, herumzuhüpfen. „Mach weiter“, verlangte sie. „Ich kann genauso gut zählen wie du.“
    „Und wenn nicht?“, entgegnete Henry, und in seiner Stimme lag eine Schärfe, die zuvor nicht da gewesen war.
    „Sieh dich doch mal um“, spottete Calliope. „Benutz dein Hirn, Henry. Was, glaubst du, wird passieren? Kronos wird dich vernichten. Er wird deine Knochen langsam zu Staub zermahlen und mit deinem Blut die Wände färben. Dasselbe wird er mit deiner Frau machen, mit deinen Schwestern und deinen Brüdern, und wenn er damit fertig ist, wird er es auch mit denjenigen tun, die so schlau waren, nicht herzukommen. Wo ich so darüber nachdenke, wäre es sogar wesentlich unterhaltsamer, wenn wir dich am Leben ließen, damit du dabei zusehen kannst, nicht wahr? Ich hatte vor, Walter zusehen zu lassen, und er freut sich bestimmt über Gesellschaft.“
    „Sie sind auch deine Familie“, erinnerte ich sie. Die Kette brannte in meinen Handflächen, doch unbeirrt hielt ich sie fest. Wenn ich sie nicht sehen konnte, konnte sie mich ebenso wenig sehen. Sie konnte nicht sehen, was Henry getan hatte. Kronos jedoch war überall, und wenn er aufpasste …
    „Nein, sind sie nicht“, schrie Calliope. „Nicht mehr. Der Rat hat lange genug geherrscht, und dabei haben sie sich selbst und alles, wofür ich stehe, zum Gespött gemacht. Sie haben mich weggeworfen, als wäre ich nichts. Hast du auch nur eine Ahnung, wie sich das anfühlt? Natürlich nicht, Kate. Du hast gewonnen. Du hast alles, was du willst.“
    Nicht alles. Henry hatte ich nicht, und ich war mir nicht sicher, ob es jemals dazu käme. Doch ich biss mir auf die Zunge. Noch einen Grund, mich in die Luft zu jagen, würde ich ihr als Allerletztes liefern.
    Wieder erschien ihre Silhouette, als sie auf Henry losging. „Du und Walter werdet dasselbe Leid zu spüren bekommen, das ihr mir all diese Äonen lang angetan habt, und ich verspreche, ich werde jeden Moment davon genießen.“
    Ich konnte nicht sehen, was sie

Weitere Kostenlose Bücher