Die unsterbliche Braut
mit ihm machte, doch Henryschrie – ein hässlicher, verzerrter Laut, der mich völlig verschlang, bis nichts mehr existierte außer dem brennenden Bedürfnis, das zu beenden. Ohne nachzudenken, bewegte ich mich auf Calliope zu. Die Kette war wie Feuer in meinen Händen, und ich holte so weit aus, wie ich nur konnte. Ein Übelkeit erregendes Knacken hallte durch die Kaverne, als das nebelumwogte Metall auf Calliopes Hinterkopf traf, und die letzten Glieder wickelten sich um ihren Hals, verbrannten ihr das hübsche Gesicht.
Ich rechnete damit, dass sie schreien oder fluchen oder sich irgendwie wehren würde, und ich würde mich nicht so einfach geschlagen geben. Wieder und wieder holte ich mit der Kette aus, wie benebelt von dem Bedürfnis, dafür zu sorgen, dass sie niemals wieder eine Gelegenheit hätte, Henry oder irgendjemanden sonst zu verletzen, den ich liebte, doch irgendwann hielt mir jemand den Arm fest.
„Genug“, sagte Henry. „Sieh hin.“
Das Herz pochte mir bis zum Hals, als ich mich vorwärts schob und versuchte, durch den Nebel hindurch irgendetwas zu erkennen. Immer noch hielt ich die Kette fest umklammert, bereit, noch einmal auf Calliope einzuschlagen, wenn sie mich ansprang. Stattdessen traf mein Fuß auf etwas Warmes, Festes.
Calliope.
Henry legte den Arm um mich und packte sie am Fußgelenk.
Stumm starrte ich auf ihren reglosen Körper, hin- und hergerissen zwischen Entsetzen und Befriedigung, als ich aus einem Schnitt an ihrer Wange Blut tropfen sah.
„Verschwinde“, rief er, und trotz seiner Verletzungen brachte seine Stimme die Wände zum Beben. Ein lautes Zischen erfüllte die Kaverne, und die Luft wurde so heiß, dass es sich anfühlte, als würde ich bei lebendigem Leibe gekocht. Winzige Messer stachen auf mich ein, gruben sich unter meine Haut und verwandelten sich in flüssige Lava.
Gellend schrie ich auf, unfähig, die ungeheuren Schmerzen zu ertragen, die meinen Körper erfüllten. Meine Knie gaben unter mir nach, doch Henry war da und fing mich auf, während seineKetten rasselnd zu Boden fielen. Er sagte kein Wort, als er mich an sich zog und mein Gesicht an seiner Brust barg. Und von einem Augenblick zum anderen hörten die Stiche auf, und kühle Luft hüllte mich ein.
„Alles ist gut“, murmelte Henry in dem besänftigenden Ton, nach dem ich mich seit meiner Ankunft in der Unterwelt so sehr gesehnt hatte. Obwohl auch er Schmerzen haben musste, fuhr er mir tröstend mit den Fingern durchs Haar. „Du bist in Sicherheit.“
Die grausamen Schmerzen des Nebels, der in meinen Körper eingedrungen war, hatten nicht nachgelassen, doch es wurde auch nicht schlimmer, während ich zitternd dastand. Vorsichtig öffnete ich ein Auge, und als ich die rote Wand sah, wurde mir erneut übel. Wen hatte Kronos getötet? James? Ava? Oder hatte er Calliope umgebracht, weil sie versagt hatte?
Als mein Blick klarer wurde, begriff ich, dass wir nicht mehr in der Höhle waren. Stattdessen standen wir in der Eingangshalle des Palasts mit all den Spiegeln und roten Wänden, und vor uns lag Calliope auf dem Teppich, während Blut aus der Wunde an ihrem Hinterkopf sickerte.
Wir waren zu Hause.
13. KAPITEL
SCHATTEN
Während sich Sekunden zu Stunden auszudehnen schienen, tauchten die anderen um uns herum auf. Ava und Sofia waren die Ersten. Ihre Handgelenke waren wund gerieben. Als Nächstes tauchte James zusammen mit Phillip auf, der ein blutiges Stück Stoff auf sein Auge presste, und schließlich erschien Walter mit meiner Mutter. Fest umklammerte sie Persephones Hand.
Sobald ich meine Mutter sah, blass und erschüttert, aber unverletzt, wollte ich zu ihr stürzen. Doch eine unsichtbare Macht hielt mich zurück, und ich konnte mich nicht bewegen. Nicht solange sie sich an Persephone klammerte.
Da fing meine Mutter meinen Blick auf. Eine Sekunde lang drückte sie Persephones Hand fester und ließ sie dann zu meinem Erstaunen los, um stattdessen auf mich zuzugehen.
Das war alle Ermutigung, die ich brauchte. Erleichtert lief ich auf sie zu und umarmte sie, vergrub meine Nase in ihrem Haar. Selbst nach all der Zeit in der Höhle roch sie noch immer nach Äpfeln und Freesien. Eine fast unmerkliche Spur von Rauch nahm ich auch wahr, doch es ging ihr gut.
„Wo ist sie?“, fragte Walter und drängte sich durch die Gruppe benommener Ratsmitglieder. Dylan, Irene und die anderen, die zurückgeblieben waren, waren nirgends zu sehen, aber wahrscheinlich arbeiteten sie immer noch an der
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