Die unsterbliche Braut
Kleiderschrank. Ich erwiderte nichts. Ich wusste, sie liebte mich genauso sehr wie ich sie, aber was wäre geschehen, wenn ich die Prüfung nicht bestanden hätte? Hätte sie meine Hand losgelassen?
Als sie zurückkam, brachte sie frische Kleider mit, und widerstrebend stand ich auf. Obwohl Ava sie regelmäßig sauber gemacht hatte, waren mein Pullover und die Jeans, die ich trug, ruiniert. Sobald ich sie ausgezogen hatte, ließ meine Mutter sie verschwinden.
„Also“, sagte sie, während ich den Schlafanzug überzog, den sie für mich ausgesucht hatte. „Erzähl mir, was dich bedrückt.“
Ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Vom Tag meiner Ankunft in der Unterwelt an war alles schiefgegangen, und sooft Leute wie Ava und meine Mutter auch versuchten, mir zu versichern, dass Henry mich liebte: Er tat es nicht. Nicht wirklich. Das konnte er nicht. Ich war nicht Persephone.
Doch es war noch mehr als das. So viel mehr, und mir blieb nichts anderes übrig, als ganz am Anfang zu beginnen. „Alles an meinem Leben war geplant“, fing ich an, und meine Stimme war belegt. „Wann ich zur Welt gekommen bin, wie ich aufgezogen wurde, was du mir beigebracht hast – das war alles, damit ich die Prüfungen bestehen konnte, nicht wahr?“
Langsam nickte sie, als sei sie sich nicht sicher, was daran so verkehrt war. „Natürlich, Liebes. Ich wollte dir die besten Chancen auf Erfolg geben, die du nur haben konntest, vor allem nach dem, was mit den anderen geschehen war.“
Ich zupfte am Saum meines Schlafanzugoberteils. „Du wusstest, dass jemand versuchen würde, mich umzubringen, und trotzdem hast du mich gehen lassen.“
„Ich …“ Sie runzelte die Stirn. Endlich schien sie zu begreifen. „Kate, Süße, ich hätte es niemals erlaubt, wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, dass jede mögliche Vorsichtsmaßnahme ergriffen wurde. Vor dir wurden die Prüfungen nur von ein paar von uns begleitet. Bei dir hat sich das alles geändert. Ich habe darauf bestanden, genau wie Henry. Er wollte dich beschützen. Das wollten wir alle. Daher war immer einer von uns bei dir. Wir alle haben beobachtet, wie du die Prüfungen durchlaufen hast.“
Meine Mutter war nicht auf Eden Manor gewesen, doch ich hatte jede Nacht in meinen Träumen mit ihr geredet. Ich hatte geglaubt, es wäre ein Geschenk von Henry, eine Möglichkeit für mich, mich von ihr zu verabschieden, und zum Teil war es das vielleicht auch gewesen. Doch sie hatte mich immer gedrängt, ihr alles zu erzählen, und das hatte ich – größtenteils. Es waren die Dinge, die ich ihr nicht erzählt hatte, die mich das Leben gekostet hatten.
Sie ließ sich hinter mir nieder und bürstete mir mit sanften Strichen das Haar, löste vorsichtig die Kletten. „Von dem Moment an, als wir nach Eden hineingefahren sind, standest du unter unserem Schutz. James, Ava, Sofia, selbst Dylan und Irene – deshalb waren sie dort. Zum Teil, um dich zu leiten, aber hauptsächlich, um sicherzugehen, dass dir nichts zustoßen konnte. Elf Mädchen hatten wir bereits sterben sehen, und glaub nicht, wir wären so herzlos, dass uns das nichts ausgemacht hätte. Das hat es, vor allem Henry. Von dem Augenblick an, als der Rat beschlossen hat, dass ich dich zur Welt bringen durfte …“
„Der Rat hat beschlossen , dass ich geboren werden durfte?“
„Ja“, bestätigte sie und teilte mein Haar in drei Abschnitte, bevor sie begann, es zu flechten. „Das habe ich dir schon einmal erzählt, Liebes. Henry hatte sich entschieden, aufzugeben, und das wollte ich nicht. Statt also loszuziehen und ein neues Mädchen zu suchen …“
„Hast du beschlossen, eins zu machen.“ Ich schluckte schwer, und Tränen stiegen mir in die Augen. „Das ist alles, was du mir gesagt hast. Du hast nicht gesagt, dass der einzige Grund für meine Existenz ist, dass ihr alle rumgesessen und darüber debattiert habt.“ Schweigend starrte ich an die Decke und versuchte vergebens, den Kummer zu unterdrücken, der sich meiner bemächtigte. „Alles, was ich je sein sollte, war Henrys Frau, und du wusstest … du wusstest , dass er immer Persephone lieben würde. Du wusstest, dass er für mich nie dasselbe empfinden würde, und trotzdem hast du es getan.“
Von hinten schlang sie zärtlich die Arme um mich. „Kate …“
Zornig starrte ich auf meine Hände und weigerte mich, die Umarmung zu erwidern. Sie konnte es leugnen oder schönreden, so viel sie wollte, doch das würde nichts an dem ändern, was
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