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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Drew Magary
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Dip gestolpert sind. Ich dachte, der andere Track würde einschlagen, doch vier Monate später liefen alle herum und sangen I got yo fuuuun dip, come on and have a lick. Der andere Track kam nicht einmal auf das Album. Jetzt sagen Sie bloß, dass das fair ist. Sagen Sie bloß, dass das nicht alles Bockmist ist. Kommen Sie mit.«
    Er stand auf, scheuchte die Bodyguards fort und führte uns in einen weiteren Flur, der noch tiefer in die Eingeweide seiner hölzernen Festung führte. In diesem Flur hingen detailgetreue, farbenfrohe Tuschezeichnungen von unbekannten Superhelden. Bizeps über Bizeps. Trizeps über Trizeps. Muskelbepackt.
    »Sind das Ihre?«, fragte ich.
    »Ja. Ich habe sie gezeichnet, als ich sechzehn war. Die weißen Kids in der Schule hatten alle ein Auto. Ich hatte ein paar Tuschestifte. So ist die Sache mit dem Swift entstanden. Es hat alles auf einem Stück Papier begonnen.«
    Er blieb vor einer der Zeichnungen stehen. Sie zeigte einen jungen Schwarzen in einem blauen Overall, der Edgar überaus ähnlich sah. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und bleckte die Zähne. Mitten durch seinen Körper hindurch verlief ein riesiger Riss, aus dessen Innerem gleißend weißes Licht drang. Es sah aus wie eine Halogenlampe. »Das ist Supernova«, sagte er. »Jedes Mal wenn er sich aufregt, explodiert sein Körper in einem weißen, heißen Licht, das alles um ihn herum auslöscht. So habe ich mich gefühlt, als ich ein Teenager war. Ich wollte alles, was ich in mir hatte, einfach bloß rauslassen. Ich hatte das Gefühl, in meinem Herzen befände sich ein Atomreaktor, der das Innere zum Schmelzen bringt. So fühlt man sich, wenn man jung ist und alles haben möchte.«
    Er ging weiter den Flur hinunter. Ich zeigte auf die Zeichnung eines Typen, der vollständig aus einem purpurnen Kristall zu bestehen schien.
    »Was ist mit dem Kerl da?«
    »Das ist Eterno. Ein weiterer Superheld. Das Besondere an ihm war, dass er unsterblich war. Das ist heutzutage nicht mehr so außergewöhnlich, nicht wahr?«
    Am Ende des Flurs befand sich ein Konferenzzimmer mit einer zehn Meter hohen Decke und einem Holztisch in der Mitte. Es war der Querschnitt eines Baumes, der wohl der riesigste Baum gewesen sein musste, den es jemals gegeben hatte. Er war so groß und schwer, dass man ihn als Fundament für ein zwanzigstöckiges Gebäude hätte verwenden können. Edgar setzte sich an den Tisch und bedeutete uns, dasselbe zu tun.
    »Wollt ihr Jungs etwas essen?«, fragte er.
    Ich lehnte höflich ab. »Danke, wir brauchen nichts.«
    »Seid ihr sicher? Ich habe Fische hier, die auf der roten Liste stehen. Ein Stück Heilbutt schmeckt sogar noch besser, wenn man weiß, dass es tausend Mäuse gekostet hat.«
    »Wir brauchen nichts. Lassen Sie uns einfach mit dem Interview beginnen.«
    Er warf mir seinen Führerschein zu und begann zu reden. Ich drückte die Aufnahmetaste.
    »Es ist eigentlich sehr einfach. Ich will, dass dieses Album das größte wird, das ich je gemacht habe. Ich möchte zu einer Legende werden. Aber ich kann nicht als der Allergrößte in die Geschichte eingehen, wenn ich nicht … Sie wissen schon. Ich möchte heiliggesprochen und verehrt werden. Ich möchte unsterblich werden.«
    Ich gab ihm seinen Führerschein zurück. »Warum veröffentlichen Sie es nicht einfach und warten ab, was passiert?«
    »Weil es niemanden kümmert, solange man nicht tot ist.« Er stellte seine Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Hände ineinander. »Ich bin kein Narr. Ich weiß, wie es zurzeit um meine Karriere steht. Fünfzigtausend Menschen haben mein letztes Album heruntergeladen. Mehr nicht. Es gab Zeiten, da habe ich fünfzigtausend Menschen in der Stunde bewegt. Ich habe Hunderttausenden Beine gemacht, bloß weil ich auf die Bühne getreten bin. Diese Zeiten sind vorbei. Das ist mir bewusst. Die Menschen dort draußen sind entweder gleichgültig oder einfach vollkommen pleite. Selbst die armen Menschen in diesem Land hatten früher etwas Geld, wissen Sie. Außerdem verlieren die Menschen ihre Leidenschaft. Mein Gesicht auf den Alben interessiert sie nicht mehr. Und auf den Gralen ebenfalls nicht.«
    »Ich hätte beinahe einmal einen Ihrer Grale gekauft.«
    »Den DX3490?«
    »Yep.«
    »Diese Dinge waren doch Scheiße. Wie ich schon gesagt habe, die Menschen ziehen weiter. Es gibt nur eine Möglichkeit, sich ihre Zuneigung wieder zu sichern: Man muss die Bühne verlassen. Man muss sie daran erinnern, was sie

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