Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
Nacht durch die offenen Gebiete der nördlichen I-95 fahren zu müssen. Ich fragte Solara, ob sie ein eigenes Zimmer haben wollte. Sie meinte, es wäre in Ordnung, ein Zimmer mit zwei Einzelbetten zu teilen. Ich checkte allein ein. Solara wartete im Auto, und ich ließ sie über die Feuertreppe ins Zimmer. Ich erwartete beinahe, dass sie am nächsten Morgen verschwunden sein würde, doch es machte mir nichts aus. Um ehrlich zu sein, wusste ich noch immer nicht so recht, wie ich die falsche Euthanasie abwickeln sollte. Man brauchte die Genehmigung der Eindämmungsbehörde, um eine gefälschte Euthanasie durchführen und die Akte löschen zu können. Und es war unwahrscheinlich, dass ich eine solche Ausnahmegenehmigung für eine verurteilte Terroristin erhalten würde.
Solara schlief in ihren Kleidern. Ich hatte ein Shirt zum Wechseln im Auto und sagte ihr, dass sie es am nächsten Morgen haben konnte. Auf dem Weg ins Hotel hatte ich zu viel Bier getrunken, und so wachte ich um drei Uhr morgens auf. Alkohol raubt mir immer den Schlaf. Ich drehte mich zu Solara um und sah sie auf dem Bett gegenüber liegen. Sie war noch da. Manchmal drehte sie sich von einer Seite auf die andere, und ich hatte Angst, dass ich sie vielleicht geweckt hatte. Doch nichts passierte. Meine Pistole lag unter meinem Kissen.
Mitten in der Nacht plötzlich aufzuwachen, fühlt sich an, als würde man im Gefängnis sitzen. Man kann nichts machen, vor allem dann nicht, wenn sich noch jemand im selben Raum befindet. Ich konnte weder den WEPS aufdrehen noch ein Buch lesen. Ich wollte nicht aufstehen und Solara allein im Zimmer zurücklassen. Außerdem war ich noch immer furchtbar müde und eifersüchtig auf Solara, die sich dem Schlaf hingeben konnte. Meine Augen wollten sich nicht öffnen, und mein Körper wollte nicht aufstehen. Doch jegliche weitere Entspannung war unmöglich. Ich konnte die Familien hören, die sich in den Nachbarzimmern drängten, die als Übergangswohnungen genutzt wurden – Babys weinten und ließen sich unmöglich beruhigen. Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf, und sie führten mich an bekannte Orte, von denen ich nichts wissen wollte. Zu meiner Mutter und meinem Vater. Zu meiner Schwester. Zu Katy. Alison. David. Sonia. Ich formte ihre Namen mit den Lippen. Ich hörte, wie ich David ein »Hallo« zuflüsterte, als wäre er immer noch im Zimmer und immer noch ein kleiner Junge. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, doch ich spürte, wie ich mich gegen seine warme, rosafarbene Haut drückte. Hallo, kleiner Mann. Hallo! Ich umarmte mein Kissen, als würde ich meinen Vater am Bahnhof von Waterbury begrüßen. Das mache ich manchmal. Ich versuche, mich mit imaginärer Gesellschaft selbst zu beruhigen. Und dann gleiten sie wieder davon.
Ich dachte an die Klienten. An die von der Regierung aufgestellten Bowling-Kegel, die ich bereits umgeworfen hatte. An die Greenies. An die sonderbaren Abtrünnigen in ihren neofeudalistischen Bunkern. Die Terroristen. Die Steuerbetrüger. Ich dachte an sie, und der wunderbare Glanz der Rache war schon vor langer Zeit abgeblättert. Mein Gewissen drängte diese nagenden kleinen Fragen zurück in das Loch, das ich eigens für sie gegraben hatte. Meine Gedanken erreichten eine erotische Ebene, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht von der Frau zu phantasieren, die bloß einige Meter von mir entfernt lag. Sogar von meinem Bett aus konnte ich sie riechen. Sie roch so gut. Ich wollte schreien. Ich warf einen Blick auf die roten Leuchtzahlen der altmodischen Hoteluhr. Es war drei Uhr dreißig.
Um sieben Uhr dreißig fiel ich zurück in einen zwecklosen Dämmerschlaf. Ich bekam eine winzige Menge Schlaf ab. Als ich aufwachte, sah ich, wie Solara gerade eines meiner Ersatz-T-Shirts anzog. Sie stand in der Ecke und hatte mir den Rücken zugewandt. Als sie sich umdrehte, erhaschte ich einen Blick auf ihren Bauch, gerade als das T-Shirt herunterrutschte, und ich sah einige tiefe Narben, die sich über ihren Unterbauch zogen. Ich riss die Augen auf.
»Ich wollte dich nicht wecken«, sagte sie. »Ich hatte nicht vor abzuhauen.«
»Ist schon in Ordnung. Das weiß ich. Ich habe deine Narben gesehen.«
»Ich möchte nicht darüber sprechen.«
»Nein. Du verstehst nicht. Die Greenies haben mich auch erwischt.« Ich rollte meinen Ärmel hoch und zeigte ihr meine Narbe. »Früher war das mein Geburtsdatum«, erklärte ich ihr. »Doch ich habe es korrigieren lassen. Zumindest soweit es möglich
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