Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
wir alle«, erinnert sich seine Frau Sarah. »Ehrlich gesagt freute mich der Gedanke, dass ich nie wieder dreihundert Dollar für Strähnchen würde ausgeben müssen.«
Er war kein typischer Wissenschaftler. Otto hatte aufgrund seiner sportlichen Erfolge als Läufer ein Teilstipendium an der Universität von Oregon erhalten und wurde im Jahr 2000 Achter über zwei Meilen bei den Prefontaine Classics im Stadion der Universität von Oregon. Er war ein kontaktfreudiger Mensch, der im Labor immer gern mit anderen Menschen zusammenarbeitete und der es stets verstand, auf eine Art und Weise über seine Arbeit zu sprechen, die für einen Laien nicht nur verständlich, sondern auch vollkommen faszinierend war.
»Ich denke, dass es diese Fähigkeit war, die ihn zu einem solch guten Lehrer gemacht hat«, sagt der Präsident der Universität von Oregon, Raymond Lack. »Was seine Arbeit betraf, war er leidenschaftlich, aber nicht so sehr, dass er sich isoliert hätte. Man hatte nie das Gefühl, nur Bahnhof zu verstehen, wenn er über all diese Dinge sprach. Bei ihm klang alles interessant, ja sogar unterhaltsam. Und glauben Sie mir, das ist keine sehr weit verbreitete Eigenschaft unter seinen Kollegen. Seine kommunikativen Fähigkeiten wären für jedermann ein seltenes Geschenk gewesen, egal in welchem Fachgebiet.«
Mit dem Vorhaben, die Haarfarbe durch Gentherapie zu verändern, scheiterte Otto kläglich. Es war kein Problem, das Protein, das für die rötliche Haarfarbe verantwortlich ist, aus dem Gen zu isolieren. Damit hatten Otto und sein Team, das sich selbst als die »Hair Bears« bezeichnete, keine Schwierigkeiten. Das Problem war, die Farbe durch eine andere zu ersetzen. »Wenn man einem Menschen seine genetisch vorbestimmte Haarfarbe nimmt, dann hat er im Grunde farblose Haare – Albinohaare«, schrieb er. »Also muss man zuerst das Protein im Gen deaktivieren, aber gleichzeitig auch die Wunschfarbe aktivieren, und ab diesem Zeitpunkt wird es technisch gesehen beinahe unmöglich.« Otto experimentierte mit anderen Proteinen, die er in der DNA-Helix von Fruchtfliegen gefunden hatte (diese können rote Augen haben, die von demselben Gen verursacht werden), und veränderte diese, um eine neue Farbe zu aktivieren. »Wir versuchten es mit Blau. Wir versuchten es mit Braun. Wir versuchten es mit Grün. Nichts funktionierte.«
Eines Nachts im Labor begann der verärgerte Otto unvorsichtig zu werden. Als er das für die roten Haare verantwortliche Protein in der an diesem Tag fälligen Gruppe deaktivierte, entfernte er auch noch ein anderes Protein aus dem Gen. »Ich wusste genau, was ich getan hatte«, schrieb er. »Aber es war spät, und ich wollte nicht noch einmal von vorn anfangen. Jeder gute Wissenschaftler weiß, dass man die Originalprobe entsorgt, sollte man sie kontaminiert haben. Aber ich tat es nicht. Ich dachte mir, dass es am Ende ohnehin keine Rolle spielen würde, also machte ich weiter und injizierte den Vektor. Ich war einfach bloß schlampig.« Als Otto am nächsten Morgen wiederkam, war nichts Ungewöhnliches geschehen. Er versuchte, ein neues Farbprotein in die DNA der Fruchtfliegen zu integrieren, doch er scheiterte erneut. Also stellte er die Gruppe von Fliegen beiseite und begann mit einer Gruppe von neuen Testobjekten.
Doch dann geschah etwas Seltsames mit der verunreinigten Gruppe von Fliegen. »Sie starben nicht. Die Lebensspanne einer Fruchtfliege beträgt für gewöhnlich weniger als zwei Monate. Und selbst dann sieht man nach etwa vierundzwanzig Stunden, wie eine Handvoll Fliegen zu Boden fällt. Doch keine einzige der Fliegen, in die ich den Vektor injiziert hatte, fiel zu Boden. Niemals. Sie flogen einfach weiter umher.«
Vor Ottos zufälligem Missgeschick ging man davon aus, dass der biologische Alterungsprozess von Hunderten, wenn nicht Tausenden verschiedenen genetischen Proteinen gesteuert wird, die im Körper zu finden sind. Proteine, die gemeinsam dafür verantwortlich sind, die Geschwindigkeit des Alterungsprozesses der verschiedenen Teile des Körpers zu beeinflussen. »Wir gingen immer davon aus, dass das Zusammenwirken von Tausenden internen Abläufen und externen Faktoren den Alterungsprozess auslöst«, sagt Dr. Philip Frank, Vorstand der Abteilung für Genetik am Nationalinstitut für Gesundheit. »Wenn man darüber nachdenkt, dann altert der Mensch von der Sekunde an, in der er geboren wird. Unsere Forschungen haben gezeigt, dass spezielle Proteine im Körper die
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