Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
jeden verdammte Penny brauchen, den dir das Leben schenkt, glaub mir das. Ich möchte nicht, dass du mich aushältst.«
»Wir werden eine Lösung finden, das verspreche ich dir.«
»Ja, ja. Wie auch immer, es war die falsche Entscheidung. Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht. Und ich bin nicht sehr glücklich darüber.« Er hielt die Soßenschale in die Höhe. »Und wir haben keine Soße mehr. So wird mein Leben die nächsten hundert Jahre aussehen. Ein Thanksgiving nach dem anderen und nie genug Soße.«
GEÄNDERT AM:
30.11.2029, 14:03 Uhr
Was in China wirklich geschieht
Chan ist ein chinesischer Staatsbürger, der im Rahmen eines Austauschprogramms, das vor etwa neun Jahren ins Leben gerufen geworden war, ein Jahr in unserer Firma gearbeitet hatte. Unsere Firma wollte nach Peking expandieren und dort mit einer anderen Firma fusionieren. Nachdem sich China mittlerweile jedoch wieder ins Innere seiner Mauern zurückgezogen hat, fand diese Fusion natürlich nie statt. Ich blieb mit Chan in Kontakt, und wir unterhielten uns von Zeit zu Zeit via E-Mail – zumindest bevor die Regierung seinen Zugang gesperrt hatte. Danach glaubte ich, wohl nie wieder etwas von ihm zu hören.
Doch das tat ich. Er schickte mir diese Woche von dem E-Mail-Account einer in Peking lebenden Amerikanerin eine Mail. Anscheinend sah er, wie die Amerikanerin in einem Eissalon etwas in ihren Laptop tippte. Da die Amerikanerin einen unzensierten E-Mail-Account hatte, bat er sie, diesen benutzen zu dürfen, um mich zu kontaktieren.
Hier ist seine E-Mail:
AN: John Farrell
BETREFF: Chan in China (Dringend)
Meine Frau und ich haben vor drei Tagen ein Kind bekommen. Es ist unser erstes Kind. Ein Junge. Die Schwangerschaft und die Geburt verliefen gut. Meine Frau musste zwei Stunden lang pressen, und das war sehr schmerzhaft. Doch unser Sohn kam gesund auf die Welt, und er hatte auch alle Finger und Zehen. Ich durfte sogar die Nabelschnur durchtrennen, und das ist schwieriger, als man glaubt.
Meine Frau erlitt während der Geburt einen Einriss, weshalb sie genäht werden musste. Ich war die ganze Zeit bei ihr, doch als sie die Narkose bekam und meine Hand losließ, blieb ich nicht bei ihr, sondern ging mit den Schwestern mit, die meinen Sohn in die Kinderstation schoben, wo ich ihn waschen durfte. Sie gaben mir einen warmen Waschlappen, und ich wischte das Blut und die wächserne weiße Käseschmiere von seinem Körper, während er in einer sauberen Plastikwiege lag, die sie unter eine Wärmelampe geschoben hatten. Es war ein wunderschöner Moment, denn ich spürte noch immer, wie warm sein Körper noch von der Zeit im Körper meiner Frau war. Ich kann es nicht gebührend beschreiben, doch es ist ein Erlebnis, das ich nicht so schnell vergessen werde.
Ich wusch ihn gerade hinter den Ohren, als ein Arzt hereinkam und die Wiege meines Sohnes fortschob. Ich war überrascht.
»Was tun Sie da?«, fragte ich.
»Wir müssen ihn mitnehmen«, erklärte er mir.
»Aber ich habe ihn noch nicht fertig gewaschen«, erklärte ich ihm. Ich hielt den blutigen Waschlappen hoch, um ihm zu zeigen, dass ich ihn noch immer verwendete.
»Sie können ihn später fertig waschen. Wir müssen ihn nun mitnehmen.« Er war sehr barsch, und ich hatte keine Ahnung, weshalb. Ich weiß, dass Ärzte arrogant sein können, doch er schien mir besonders aggressiv zu sein.
»Was machen Sie mit ihm?«
»Routineimpfungen und Blutuntersuchungen.«
»Kann ich mitkommen?«
»Nein. Wir bringen ihn in etwa einer Stunde wieder zurück.«
Ich wollte darauf bestehen, meinen Sohn begleiten zu dürfen. Aber dieser Mann war Arzt, also ging ich davon aus, dass er wusste, was das Beste war. Ich wollte den Augenblick nicht durch einen Streit ruinieren. Also ließ ich zu, dass sie ihn mitnahmen, und ging wieder zu meiner Frau, die nun im Aufwachzimmer schlief.
Nach etwa einer Stunde verlegten sie uns auf die Wöchnerinnenstation im Stock über uns. Als wir aus dem Aufzug kamen, sahen wir, dass in der Mitte jedes Korridors bewaffnete Polizisten standen, was für ein Krankenhaus, geschweige denn für eine Wöchnerinnenstation, doch ungewöhnlich ist. Beinahe aus jedem Zimmer drangen Schreie und Weinen, fast so, als wären wir immer noch auf der Entbindungsstation. Ich fragte die Krankenschwester, ob denn in diesem Stockwerk auch Kinder zur Welt gebracht wurden. (Wir sind hier immerhin in China, es würde mich nicht im Geringsten wundern, wenn sie mehr Platz benötigen würden.)
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