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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Drew Magary
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hatten.
    Ich werde ihren Gesichtsausdruck niemals vergessen. Sie war so schockiert, so erschrocken, so verblüfft. Sie verstand es nicht. Sie begann zu schluchzen und zu schreien. Ich hielt sie fest.
    »Warum? Warum haben sie das getan?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich.
    Während sie weinte, kamen zwei weitere Ärzte und zwei Krankenschwestern ins Zimmer. Ich reagierte erneut verärgert, denn alles, was ich nach der ganzen Geschichte wollte, war etwas Privatsphäre mit meiner Frau. Ich bat sie, uns noch Zeit zu lassen.
    »Wir müssen Sie in ein Mehrbettzimmer verlegen«, sagte eine der Krankenschwestern. »Dieser Raum ist nur für Patientinnen, die es erst erfahren müssen. Eine weitere Patientin soll bald hierher gebracht werden.«
    Einer der Ärzte nahm meinen Arm. »Sie müssen einen Moment mit mir kommen.« Ich weigerte mich. Der Polizist erschien in der Tür, und sein Blick sagte mir, dass ich mitgehen sollte. Welche Wahl hatte ich? Ich ging mit dem Arzt und dem Polizisten mit, die mich in einen weiteren leeren Raum führten. Ich dachte, dass sie mich wegen meines Geschreis verhaften wollten, weil ich mich in der Lobby so aufgeführt hatte.
    »Haben Sie einen Ausweis bei sich?«, fragte der Arzt. Ich holte ihn hervor. »Sie müssen Ihren Ärmel hochkrempeln«, sagte er.
    Ich verfiel in Panik. Ich sprang auf, um aus dem Raum zu flüchten, doch der Polizist versperrte mir den Weg und warf mich zu Boden. Der Arzt half ihm, mich auf den Boden zu drücken.
    »Sie dürfen sich nicht wehren!«, schrie der Arzt.
    »Warum machen Sie das?«
    »Es ist jetzt Gesetz! Wir müssen es bei allen machen!« Der Arzt krempelte seinen Ärmel hoch und zeigte mir sein Tattoo. Der Polizist tat es ihm gleich. Ich starrte seinen Arm einige Augenblicke lang an. Ich konnte es nicht glauben. Sie nickten mir beide zu. Ich hatte keine andere Wahl, als nachzugeben. Der Arzt ließ mich auf dem Tisch Platz nehmen und bat mich, das Geburtsdatum auf meinem Ausweis zu bestätigen. Das tat ich. »Für zweiundvierzig sehen Sie ziemlich jung aus«, sagte er.
    Ich habe es dir nie erzählt, John, doch als ich in deiner Firma gearbeitet habe, habe ich mich deaktivieren lassen. Und meine Frau ebenfalls. Wir wussten, dass es in China verboten war. Und wir hatten gehört, dass Ärzte getötet worden waren – noch viel schlimmere Geschichten als das, was Dr. Otto in eurem Land passiert ist. Wir hatten gedacht, dass wir für immer in den Vereinigten Staaten bleiben würden, also haben wir es machen lassen. Kurz nach unserer Rückkehr entschloss sich China jedoch, in seine Isolation zurückzukehren, und unser Traum von einem Leben in Amerika war geplatzt. Doch wir können die Deaktivierung jetzt nicht mehr rückgängig machen. Unsere Jugend hat uns in die Verdammnis gestürzt.
    Ich belog den Arzt, so gut es ging. Sie wussten nicht, dass ich in Amerika gelebt hatte. Wenn sie es gewusst hätten, dann hätten sie mich mit ziemlicher Sicherheit verhaftet. Ich glaube, dass mein schütterer Haaransatz sie davon überzeugt hat, dass ich es wahrscheinlich nicht hatte machen lassen. Kannst du dir das vorstellen? All die Jahre habe ich meine schütteren Haare verflucht. Nun sind sie der einzige Grund, warum ich nicht im Gefängnis gelandet bin. Sie schnallten meinen Arm fest, und der Arzt tätowierte mir mein Geburtsdatum. Ich konnte sehen, wie sich die Tinte unter meiner Haut verteilte und sich in der Lederhaut festsetzte, wo sie für immer bleiben wird.
    Als ich in das Mehrbettzimmer meiner Frau gebracht wurde, erfuhr ich, dass ihr Arm ebenfalls tätowiert worden war. Zu meinem Entsetzten weinte und schrie sie nicht mehr länger wie all die jungen Mütter um sie herum. Sie lag einfach in ihrem Bett und starrte an die Decke. Ihre Augen traten hervor, und sie sagte kein Wort. Neben ihr weinte unser Sohn. Ich berührte ihre Schulter, um zu sehen, ob sie in Ordnung war. Sie sah mich hilflos an und starrte dann wieder stumm an die Decke – wie ein Folteropfer, das in einen katatonischen Schock verfallen war.
    Als sie uns am nächsten Tag entließen, sah ich Unmengen an Polizisten, die die Menschen zusammentrieben. Es hatte sich bereits herumgesprochen. Manche gingen ruhig voran, als wollten sie zeigen, dass sie nichts zu verbergen hatten. Andere flüchteten panisch. Mein Nachbar hat seine Wohnung leer geräumt und mir erklärt, dass er Richtung Norden fahren möchte, bis er nicht mehr weiter kommt.
    Ich weiß nicht, was ich machen soll, John. Wir müssen

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