Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Drew Magary
Vom Netzwerk:
jemals nett zu mir war«, antwortet er.
    Zu dem Zeitpunkt, als das Heilmittel legalisiert wurde, war XMN (sprich: Examine, englisch für »untersuchen«, »prüfen«) Mitglied einer großen Internetsubkultur, deren Mitglieder als Trolle bekannt waren. Sie waren Cyberanarchisten, die es liebten, online so viel Chaos wie möglich anzurichten – auf Messageboards, in Blogs, Feeds und überall sonst auch. XMN behauptet, sich einmal in den E-Mail-Account eines berühmten Politikers gehackt und den gesamten Inhalt gelöscht zu haben. »Es wurde nie publik gemacht, doch in den darauffolgenden Tagen konnte man es in seinen Augen sehen. Er sah aus, als hätte er zweiundsiebzig Stunden lang nicht geschlafen«, erzählt der Troll stolz. XMN erzählt auch von den vielen Malen, als er die E-Mail-Adressen von Angehörigen der Ärzte, die in New York und Oregon getötet worden waren, herausgefunden und ihnen hasserfüllte Nachrichten hatte zukommen lassen, einige davon im Namen ihrer verstorbenen Lieben. »Ich habe eine Mail an Sarah Otto geschrieben. Sie lautete: ‚Hey, mein Schatz. Ich kann gerade nicht sprechen. Ein paar Kinder braten Marshmallows über meinem brennenden Leichnam. In Liebe, Graham.‘ Ich habe tagelang darüber gelacht.«
    Doch über das Internet Schaden anzurichten, befriedigte XMN bald nicht mehr. »Man muss eine Menge Köder auswerfen, bloß um einen Fisch zu fangen«, erklärt er mir. »Und es wird jeden Tag schwieriger, die Menschen zu schockieren und zu beleidigen, selbst wenn ich ein Foto von einem Jungen ausschicken würde, der gerade kastriert wird oder so. Sie haben das alles schon einmal gesehen, oder sie wissen, dass sie es nicht anklicken dürfen. Man gewöhnt sich leicht an diese Dinge im Internet. Aber es ist nicht so leicht zu ignorieren, wenn es einem im wahren Leben passiert.«
    Also kam XMN auf der riesigen Internetplattform SiPhallus, die er als sein Zuhause bezeichnet und die viele andere Trolle nutzen, privat mit einer Gruppe anderer Trolle ins Gespräch, und sie beschlossen, dass es mehr Spaß machen würde, Chaos in der realen Welt zu verbreiten. Er weigert sich, Details über die Dinge zu verraten, die er getan hat, da er befürchtet, dafür hinter Gitter zu kommen. Er fordert mich auf, zu raten.
    Vandalismus? »Ja.«
    Bombendrohungen? »Ja.«
    Menschen das Augenlicht nehmen? »Bloß einmal, aber ich möchte es wieder machen.«
    Autos zerkratzen? »Ja.«
    Haustiere töten? »Ja. Oder ihnen das Augenlicht nehmen.«
    Brandstiftung? »Nein, aber nur, weil man leicht dabei erwischt wird.«
    Bankkonten leer räumen? »Ja.«
    Ich frage XMN, warum er sich nicht den Anti-Deaktivierungs-Fanatikern anschließt und die Menschen gleich tötet. »Ich bin kein Irrer. Ich bin kein Terrorist«, protestiert er. »Ich werde nicht herumlaufen und Menschen umbringen. Ich frage mich bloß, warum die anderen Menschen, die auf dieser Welt herumlaufen, glücklicher sein sollten, als ich es bin. Sie sollten sich jeden Tag so mies fühlen, wie ich es tue. Und dann hören sie vielleicht auf herumzulaufen, als würde das alles ihnen gehören. Vielleicht haben sie dann etwas Respekt vor anderen Menschen wie mir.«
    XMN gibt zu, aus einem kaputten Elternhaus zu kommen. Seine Mutter starb, als er noch klein war, und er erzählt, dass sein Vater ihn physisch und seine Schwester sexuell misshandelt hat. Als er in der Schule wegen seines ungeschickten Auftretens gehänselt wurde, baute XMN eine Mauer um sich auf und fand Zuflucht in der Online-Community auf SiPhallus. »Das sind Menschen, wie ich einer bin. Sie wissen, dass diese Gesellschaft ein einziger Scheißhaufen ist.«
    Aber fehlt ihm der Kontakt zu richtigen Menschen denn nicht? »Nicht wirklich. Ich bin gerne allein. Ich mag es nicht, wenn mich jemand anfasst. Ich mag es nicht, wenn jemand nett zu mir ist. Ich frage mich: ‚Wer bist du? Und warum zum Teufel musst du so gut drauf sein?‘»
    Ich frage XMN, wie viele andere »Terra-Trolle« nun dort draußen sind und das Chaos planen. Seine Augen funkeln. Es ist das erste Mal, dass ich ihn wirklich aufgeregt erlebe. »Es gibt viel mehr von uns, als die Leute glauben. Und jeden Tag werden es mehr.« Es ist schwer zu sagen, ob er die Wahrheit sagt oder bloß ein weiteres seiner Spielchen spielt. Es gibt keine Studien über Terra-Trolle, und Gesetze gegen sie werden gerade erst entworfen. Es gibt auch noch keine Aufzeichnungen über die Verbrechen der Terra-Trolle.
    Ich frage XMN, ob das wirklich die beste Art

Weitere Kostenlose Bücher