Die Unsterblichen
nachgestellt. Deshalb habe ich gedacht, es wäre besser, mich zu distanzieren.«
»Und Drina?«, frage ich, und meine Kehle zieht sich schon zusammen, wenn ich nur ihren Namen ausspreche.
Er nickt. »Poverina heißt arme Kleine. Wir waren Schützlinge der Kirche, da haben wir uns kennen gelernt. Und als sie krank wurde, konnte ich es nicht ertragen, sie auch noch zu verlieren, also habe ich ihr davon zu trinken gegeben.«
»Sie hat gesagt, ihr wart verheiratet.« Ich presse die Lippen zusammen, und meine Kehle fühlt sich heiß und eng an; ich weiß, dass sie das eigentlich nicht gesagt hat, obgleich sie es definitiv angedeutet hat, als sie ihren Namen genannt hat, ihren vollen Namen.
Kopfschüttelnd kneift er die Augen zusammen und schaut weg, während er etwas vor sich hinmurmelt.
»Stimmt das?«, frage ich. Mein Magen hat sich völlig verkrampft, und das Herz drückt mir hart gegen die Rippen.
Er nickt. »Aber es ist beileibe nicht so, wie du denkst; das ist vor so langer Zeit passiert, dass es kaum noch eine Rolle spielt.«
»Warum hast du dich dann nicht scheiden lassen? Ich meine, wenn es kaum noch eine Rolle spielt?«, will ich wissen; meine Wangen sind heiß, und meine Augen brennen.
»Dann schlägst du also vor, dass ich mit einer Heiratsurkunde, die mehrere Jahrhunderte alt ist, vor Gericht auftreten und eine Scheidung verlangen soll?«
Ich presse die Lippen zusammen und schaue weg. Mir ist ja klar, dass er Recht hat, aber trotzdem!
»Ever, bitte. Du musst ein bisschen Nachsicht mit mir haben. Ich bin nicht wie du. Du bist erst seit siebzehn Jahren dabei, na ja, jedenfalls in diesem Leben, und ich habe hunderte hinter mir! Mehr als genug Zeit, um ein paar Fehler zu machen. Obwohl es sicher eine Menge Dinge gibt, nach denen man mich beurteilen kann, glaube ich kaum, dass meine Beziehung zu Drina dazugehört. Damals war es anders. Ich war anders. Ich war eitel, oberflächlich und extrem materialistisch. Ich war nur auf mein eigenes Wohl bedacht, habe mir genommen, was ich kriegen konnte. Aber in dem Augenblick, als ich dir begegnet bin, hat sich alles verändert, und als ich dich verloren habe, nun ja, ich habe noch nie derart qualvollen Schmerz erlebt. Später jedoch, als du wieder aufgetaucht bist...« Er hält inne, und sein Blick geht in weite Ferne. »Nun, kaum hatte ich dich gefunden, da habe ich dich schon wieder verloren. Und so ging es fort, immer wieder und wieder. Ein endloser Zyklus aus Liebe und Verlust - bis jetzt.«
»Dann werden wir also ... wiedergeboren?« Das Wort klingt fremdartig auf meiner Zunge.
»Du schon - ich nicht. Ich bin immer da, bin immer derselbe.«
»Und wer war ich dann?«, frage ich. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich glaube, doch die Vorstellung fasziniert mich. »Und wieso kann ich mich nicht daran erinnern?«
Er lächelt, erfreut, das Thema zu wechseln. »Zur Rückkehr gehört eine Fahrt auf dem Fluss des Vergessens. Du sollst dich nicht erinnern, du bist hier, um zu lernen, um dich fortzuentwickeln, um deine karmischen Schulden zurückzuzahlen. Jedes Mal fängst du völlig neu an, bist gezwungen, deinen Weg selbst zu finden. Denn das Leben, Ever, ist nicht als Prüfung gedacht, bei der man im Buch nachschlagen darf.«
»Schummelst du dann nicht, wenn du immer hierbleibst?«, erkundige ich mich und grinse Mr. Ich-sage-dir-wie-die-Welt-funktioniert spöttisch an.
Er zuckt zusammen und schaut weg. »Manche Leute sehen das vielleicht so.«
»Und woher weißt du das alles überhaupt, wenn du es niemals selbst getan hast?«
»Ich hatte viele Jahre zur Verfügung, um die größten Mysterien des Lebens zu studieren. Und dabei bin ich einigen unglaublichen Lehrern begegnet. Über deine anderen Ichs brauchst du nur zu wissen, dass du immer weiblich warst.« Er lächelt und streicht mir das Haar hinters Ohr. »Immer sehr schön. Und immer wichtig für mich.«
Ich starre aufs Meer hinaus und manifestiere ein paar Wellen, einfach so zum Spaß, dann lasse ich alles verschwinden. Alles. Ganz und gar. Befördere uns wieder in unser Freiluft-Wohnzimmer.
»Tapetenwechsel?« Er lächelt.
»Ja, aber hier wechselt nur die Tapete, nicht das Thema.«
Damen seufzt. »Also habe ich dich nach Jahren des Suchens wiedergefunden - und den Rest weißt du ja.«
Ich hole tief Luft und starre die Lampe an, knipse sie mit meinen Gedanken an und aus, an und aus, und versuche, alldem einigermaßen Herr zu werden.
»Ich habe vor langer Zeit mit Drina gebrochen, aber sie
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