Die Unsterblichen
vor der Tür erstarre ich in dem Moment, in dem ich sie zusammen sehe - er in seiner Pracht des achtzehnten Jahrhunderts, und sie so prunkvoll, so wunderschön, so erlesen als Marie Antoinette verkleidet, dass sie mich glatt aussticht.
»Und du bist bestimmt...« Sie hebt das Kinn, als ihre Augen auf meine treffen, zwei leuchtende Sphären aus tiefem Smaragdgrün.
»Ever«, murmele ich und sehe die blassblonde Perücke, die makellose Sahnehaut, das Perlengewirr an ihrem Hals. Sehe, wie ihre rosigen Lippen Zähne preisgeben, die so weiß sind, dass sie kaum wirklich zu sein scheinen.
Ich wende mich an Damen und hoffe, dass er mir erklären, irgendeine logische Begründung dafür abgeben kann, wie das rothaarige Mädchen aus dem St. Regis in meinen Hausflur gekommen ist. Doch er ist zu sehr damit beschäftigt, sie anzustarren, um auch nur meine Existenz zur Kenntnis zu nehmen.
»Was machst du hier?«, fragt er, und seine Stimme ist fast ein Flüstern.
»Haven hat mich eingeladen.« Sie lächelt.
Und als mein Blick von ihr zu ihm wandert, erfüllt kalte, harte Furcht meinen Körper. »Woher kennt ihr euch?«, erkundige ich mich, und mir fällt auf, dass Damens ganzes Auftreten sich verändert hat, dass er plötzlich frostig, kalt und distanziert ist - eine dunkle Wolke, wo sonst die Sonne war.
»Ich habe sie im Nocturne kennen gelernt«, meint Drina und sieht mich unverwandt an. »Da fahren wir jetzt hin. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass wir sie entführen?«
Ich kneife die Augen zusammen und achte nicht auf das Zucken in meinem Herzen, den schmerzhaften Stich in meinen Eingeweiden, während ich versuche, irgendetwas von ihr aufzufangen. Doch ihre Gedanken sind völlig unzugänglich, sind vollkommen abgeschottet, und ihre Aura ist nicht vorhanden.
»Ach, wie dumm von mir, du meintest Damen und mich, nicht wahr?« Sie lacht, und ihr Blick wandert langsam über mein Kostüm, bis er wieder bei meinen Augen anlangt. Und da ich nicht antworte, nickt sie und sagt dabei: »Wir kennen uns von früher, aus New Mexico.«
Nur sagt Damen »New Orleans«, als sie »New Mexico« sagt, woraufhin Drina ein Lachen ertönen lässt, das nicht bis zu ihren Augen reicht.
»Sagen wir einfach, wir kennen uns schon sehr lange.« Wieder nickt sie, streckt die Hand nach meinem Ärmel aus und lässt die Finger bis zu dem perlenbesetzten Saum gleiten, ehe sie zu meinem Handgelenk hinabwandern. »Schönes Kleid«, bemerkt sie und fasst fest zu. »Hast du das selbst gemacht?«
Ich reiße meinen Arm los, weniger vor Entrüstung darüber, verspottet zu werden, sondern mehr wegen der Kälte ihrer Finger, dem eisigen Kratzen ihrer Nägel, die meine Haut gefrieren und Eis durch meine Adern schießen lassen.
»Ist sie nicht supercool?« Haven betrachtet Drina mit jener Ehrfurcht, die sie sich normalerweise für Vampire, Gothic-Rockstars und Damen aufhebt. Derweil steht Evange-line neben ihr, verdreht die Augen und schaut auf die Uhr.
»Wir müssen echt los, wenn wir um Mitternacht im Nocturne sein wollen«, drängt sie.
»Ihr könnt gern mitkommen.« Drina lächelt. »Die Limousine hat allen Komfort zu bieten.«
Und als ich Haven ansehe, kann ich hören, wie sie denkt: Sag nein, sag nein, bitte sag nein.
Drina schaut zwischen Damen und mir hin und her. »Der Fahrer wartet«, trällert sie.
Ich drehe mich zu ihm um, und mein Herz fällt in sich zusammen, weil ich sehe, wie er mit sich kämpft. Dann räuspere ich mich und zwinge mich, zu sagen: »Du kannst gern mitfahren, wenn du willst. Aber ich muss hierbleiben. Ich kann mich ja wohl schlecht von meiner eigenen Party verdrücken.«
Dann lache ich und versuche, locker und beiläufig zu klingen, während ich in Wahrheit kaum atmen kann.
Drina blickt erneut zwischen uns hin und her, die Brauen emporgezogen, das Gesicht hochmütig, und man merkt ihr nur das leiseste Aufblitzen eines Schocks an, als Damen den Kopf schüttelt und statt nach ihrer nach meiner Hand greift.
»Es war wirklich toll, dich kennen zu lernen, Ever«, sagt Drina und zögert kurz, bevor sie in die Limousine steigt. »Aber wir sehen uns bestimmt wieder.«
Ich sehe ihnen nach, wie sie losfahren, dann wende ich mich an Damen. »Also, wen sollte ich als Nächstes erwarten, Stacia, Honor und Craig?«
Sobald die Worte heraus sind, schäme ich mich dafür, das gesagt zu haben, gezeigt zu haben, was für ein kleinlicher, eifersüchtiger, erbärmlicher Mensch ich bin. Es ist ja nicht so, als ob ich es nicht besser
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