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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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vielleicht besser, wenn wir alle nach drinnen gingen.
    Als wir uns der Tür des Gebäudes näherten, wandte Zakariyya sich zu mir. »Diese Doktoren sagen, ihre Zellen sind so wichtig und sie hätten alles Mögliche gemacht und den Leuten geholfen. Aber ihr ham se nich geholfen, und uns auch nich. Wenn meine Schwester und ich was brauchen, können wir nich mal zum Arzt gehn, weil wir’s uns nich leisten können. Die Zellen von meiner Mutter nützen nur den Leuten was, die Geld haben, und denen, die ihnen die Zellen verkaufen – die werden reich von unserer Mutter und wir kriegen nix.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn’s nach mir geht, ham alle diese blöden Leute ihre Hilfe nich verdient.«
     
    Zakariyyas Wohnung war ein kleines Apartment mit winziger Küche; von hier aus hatten Deborah und die Jungen uns aus dem Fenster beobachtet. Zakariyyas Habseligkeiten hätten auf die Ladefläche eines kleinen Lieferwagens gepasst: ein kleiner Resopaltisch, zwei Holzstühle, eine Doppelmatratze ohne Bettgestell, ein Bettüberwurf aus durchsichtigem Kunststoff und marineblaue Bettwäsche. Keine Decken, keine Kissen. Gegenüber vom Bett stand ein kleiner Fernseher, obenauf ein Videorekorder.
    Die Wände waren kahl mit Ausnahme einer Reihe fotokopierter Bilder. Das Foto von Henrietta mit den Händen in den Hüften hing neben dem einzigen weiteren bekannten Bild von ihr: Darauf steht sie irgendwann in den Vierzigerjahren mit Day in einem Apartment; beide halten sich betont aufrecht und starren mit weit aufgerissenen Augen geradeaus, die Münder sind in einem seltsamen Nichtlächeln erstarrt. Irgendjemand hatte das Foto retuschiert und Henriettas Gesicht mit einem unnatürlichen Gelb eingefärbt. Daneben hing ein
atemberaubendes Bild seiner Schwester Elsie: Sie stand vor einem weißen Verandageländer neben einem Korb mit getrockneten Blumen. Elsie war auf dem Bild ungefähr sechs Jahre alt und trug ein kariertes Trägerkleid, ein weißes T-Shirt, Söckchen und Mädchenschuhe. Die Haare hingen aus einem Haarband locker herunter, und mit der rechten Hand hielt sie etwas gegen die Brust gedrückt. Der Mund war leicht geöffnet, die Brauen besorgt gerunzelt, die Augen blickten nach rechts, wo in Deborahs Fantasie ihre Mutter stand.
    Zakariyya zeigte auf mehrere Diplome, die neben den Fotos hingen: Schweißen, Kühltechnik, Dieselmotoren. »Ich hab so viele blöde Diplome«, sagte er, »aber einen Job krieg ich nich wegen meiner Vorstrafen und so, deshalb hab ich alle möglichen Probleme.« Seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis war Zakariyya immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten; die Anklagen lauteten auf Körperverletzung, Trunkenheit und groben Unfug.
    »Ich glaub, es liegt an den Zellen, dass ich so’n Arsch bin«, sagte er. »Ich musste mich schon streiten, da war ich noch gar kein Mensch. Ich glaub, nur deshalb sind die Krebszellen nich überall in mir gewachsen, als ich noch in meiner Mutter war. Ich hab gekämpft, als ich’n Baby in ihrem Bauch war, und hab nie was anderes kennen gelernt.«
    In Deborahs Augen ist das aber nicht alles. »Diese böse Frau, diese Ethel hat ihm den Hass eingeimpft«, sagte sie. »Hat jeden Tropfen davon in diesen kleinen Körper gefüllt – hat ihm den Hass des Mörders eingepflanzt.«
    Als Zakariyya Ethels Namen hörte, schnaubte er verächtlich. »Mit dieser brutalen bekloppten Frau war das Leben schlimmer als im Gefängnis«, schrie er, wobei seine Augen sich zu Schlitzen verengten. »Fällt mir schwer, drüber zu reden, was sie mit mir gemacht hat. Wenn ich an die Geschichten denk, könnt ich sie umbringen, und meinen Vater auch. Wegen ihm
weiß ich nich, wo meine Mutter begraben is. Wenn dieser Idiot stirbt, will ich auch nich wissen, wo se ihn begraben. Er muss ins Krankenhaus? Soll sich’n Taxi nehmen! Und die übrige so genannte Familie, die sie begraben hat, auch. Ich will diese Nigger nie mehr sehen.«
    Deborah wand sich. »Sieh mal«, sagte sie und sah mich an. »Alle anderen lassen ihn nie reden, weil er sagt, was er sagen will. Ich lass ihn reden, auch wenn uns das aufregt, was er sagt. Er is verrückt, aber er muss es rauslassen, sonst frisst der das in sich rein, und dann explodiert er irgendwann.«
    »Tut mir leid«, sagte Zakariyya. »Vielleicht ham ihre Zellen für manche Leute was Gutes getan, aber ich hätt lieber meine Mutter wieder. Wenn die se nich geopfert hätten, wär ich’n viel besserer Mensch geworden.«
    Deborah stand von dem Bett auf, auf dem sie,

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