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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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stammelte: »Ich … Ich meine … Ich wollte nicht …«

    »Aha, du wolltest nicht!«, fauchte Deborah. »Sag schon: Was wolltest du mit den Krankenakten meiner Mutter?«
    »Ich dachte, du hättest sie für mich da hingelegt … Tut mir leid … Ich muss die jetzt nicht lesen … Ist schon gut.«
    »So weit sind wir noch nicht!«, schnauzte Deborah zurück. In ihren weit aufgerissenen Augen stand Panik. Sie griff nach ihrer Tasche, stopfte alle ihre Habseligkeiten wieder hinein und lief zur Tür.
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Die Frau, mit der ich tagelang auf dem Bett gelegen und gelacht, die ich mit den Ellenbogen geknufft und getröstet hatte, lief plötzlich vor mir davon, als sei der Teufel hinter ihr her.
    »Deborah!«, rief ich ihr nach. »Ich will doch nichts Schlimmes von dir. Ich will nur etwas über die Geschichte deiner Mutter erfahren, genau wie du.«
    Sie fuhr herum, die Augen immer noch panisch geweitet. »Ich weiß einfach nich, wem ich noch trauen kann«, zischte sie. Dann lief sie hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.

30
    Zakariyya
    A m nächsten Tag rief Deborah von der Rezeption aus in meinem Zimmer an, als wäre nichts geschehen. »Komm mal runter«, sagte sie. »Es wird Zeit, dass du zu Zakariyya fährst und mit ihm redest. Er hat nach dir gefragt.«
    Ich war über den Gedanken, mich mit Zakariyya zu treffen, alles andere als begeistert. Mehrmals hatte ich gehört, dass er von allen Mitgliedern der Familie Lacks mit Abstand am meisten über das verärgert war, was man seiner Mutter angetan hatte, und dass er auf jede nur denkbare Rache brannte. Ich hatte eigentlich vor, meinen dreißigsten Geburtstag noch zu erleben, wenn ich aber als erste Weiße in Zakariyyas Wohnung auftauchte und Fragen nach seiner Mutter stellte, so schien es mir, konnte dieses Ziel in Gefahr geraten.
    Als ich mit Deborah zu ihrem Auto ging, sagte sie: »Für Zakariyya isses eigentlich nie richtig gut gelaufen, seit er aus dem Knast gekommen is. Aber keine Sorge. Ich bin ziemlich sicher, dass er wieder über unsere Mutter reden will.«
    »Du bist ziemlich sicher?«, fragte ich.
    »Na ja, ich hab ihm immer Kopien von den Informationen über sie gegeben, aber irgendwann hatte er genug und hat mich rausgeschmissen. Er is auf mich zugelaufen und hat gebrüllt: ›Ich will kein Zeug mehr über meine Mutter hören und über diesen blöden Doktor, der ihre Zellen geklaut hat!‹ Seither ham wir eigentlich nich mehr richtig drüber geredet.« Sie zuckte die Achseln. »Aber er sagt, du kannst ihm heute ruhig ein paar Fragen stellen. Wir müssen ihn nur erwischen, bevor er zu saufen anfängt.«
    Als wir zu Deborahs Auto kamen, saßen ihre beiden Enkel –
der knapp achtjährige Davon und Alfred, der fast vier war – auf dem Rücksitz und brüllten einander an. »Das sind meine beiden Herzchen«, sagte Deborah. Es waren auffallend hübsche Kinder mit breitem Lächeln und großen, dunklen Augen. Alfred hatte zwei schwarze Kunststoffsonnenbrillen auf, eine über der anderen und beide mindestens um das Dreifache zu groß für sein Gesicht.
    »Miss Rebecca!«, rief er, als wir ins Auto stiegen. »Miss Rebecca!«
    Ich drehte mich um. »Ja?«
    »Ich liebe dich.«
    »Danke.«
    Ich wandte mich wieder zu Deborah. Sie erklärte mir das eine oder andere, was ich in Zakariyyas Gegenwart nicht sagen sollte.
    »Miss Rebecca! Miss Rebecca!«, rief Alfred wieder, wobei er langsam beide Sonnenbrillen bis auf die Nasenspitze runterschob, den Blick auf mich richtete und die Augenbrauen hob und senkte.
    »Du gehörst mir«, sagte er.
    »Hör auf damit!«, rief Deborah und gab ihm vom Vordersitz aus einen Klaps. »Du lieber Gott, der is genau wie sein Vater,’n richtiger Weiberheld.« Sie schüttelte den Kopf. »Mein Sohn hat se immer aufgerissen und is ihnen auf der Straße nachgelaufen, hat gesoffen und Drogen genommen, genau wie sein Vater. Ich hab Angst, dass er sich in Schwierigkeiten bringt – keine Ahnung, was dann mit Klein-Alfred passiert. Ich hab auch Angst, dass er jetzt schon zu viel lernt.« Klein-Alfred schlug immer auf Davon ein, obwohl der älter und größer war, aber Davon schlug ohne Deborahs Erlaubnis nie zurück.
    Als ich die Jungen bat, mir etwas über ihren Onkel Zakariyya zu erzählen, warf Davon sich in die Brust, atmete scharf durch die Nase ein und schrie dann: »VERPISS DICH!« Seine
Stimme klang tiefer, als ich es bei einem Achtjährigen für möglich gehalten hatte. Beide brachen auf dem Rücksitz in

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