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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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Gelächter aus und sackten dann in sich zusammen. »Wie einer von diesen Wrestlern im Fernsehen!«, sagte Davon und schnappte nach Luft.
    Alfred kreischte und hüpfte auf seinem Sitz auf und ab. »WWF! WWF!« 1
    Deborah sah mich an und lächelte. »Keine Sorge«, sagte sie. »Ich weiß, wie man mit ihm umgehen muss. Ich sag ihm einfach immer wieder, er soll trennen: Rebecca is keine Wissenschaftlerin, sie arbeitet nich für John Hopkin. Sie arbeitet allein. Er sagt dann immer: ›Schon gut, ich mach nix Schlimmes.‹ Aber wenn ich merk, dass da was nich stimmt, hauen wir sofort ab.« Schweigend fuhren wir ein paar Häuserblocks weiter, vorüber an mit Brettern vernagelten Geschäften, Reihen von Fastfoodrestaurants und Schnapsläden. An einer Stelle zeigte Davon auf seine Schule und erzählte von den Metalldetektoren und dass die Schüler in den Klassenräumen eingeschlossen wurden. Schließlich beugte sich Deborah zu mir und flüsterte: »Mein kleiner Bruder meint immer, man hätt ihn um sein Leben betrogen, denn als meine Mutter ihn bekommen hat, is vier Wochen später bei ihr die Krankheit ausgebrochen. Der Bruder hat’ne Menge Ärger gehabt. Du musst aufpassen, dass du seinen Namen richtig sagst.«
    Sie erklärte mir, ich hätte ihn falsch ausgesprochen, und das dürfte ich in seiner Gegenwart nicht tun. Er nannte sich Za-KA-ri-ja und nicht Za-ka-RI-ja. Bobbette und Sonny konnten sich das nie merken, deshalb nannten sie ihn Abdul – das war einer seiner Mittelnamen. Aber auch das nur, wenn er nicht in der Nähe war.
    »Nenn ihn auf keinen Fall Joe«, sagte Deborah zu mir. »’n
Freund von Lawrence hat ihn mal zum Erntedankfest Joe genannt, da hat Zakariyya ihn sofort windelweich geschlagen.«
     
    Zakariyya war knapp 50 und lebte in einer Einrichtung für betreutes Wohnen. Den Platz hatte Deborah ihm beschafft, als er obdachlos war. Ein Anrecht darauf hatte er wegen seiner Taubheit und weil er ohne Brille nahezu blind war. Er wohnte noch nicht lange hier, befand sich aber bereits im Bewährungsstatus, weil er sich anderen Bewohnern gegenüber laut und aggressiv verhalten hatte.
    Als ich mit Deborah und den Jungen vom Auto zur Eingangstür ging, räusperte Deborah sich vernehmlich und nickte einem stämmigen Mann in Khakihosen zu, der aus dem Haus gehumpelt kam. Er war ungefähr 1,70 Meter groß und wog knapp 180 Kilo. Seine übrige Bekleidung bestand aus blauen orthopädischen Sandalen, einem verwaschenen Bob-Marley-T-Shirt und einer weißen Baseballmütze mit der Aufschrift HAM, BACON, SAUSAGE.
    »Hallo, Zakariyya!«, rief Deborah und schwenkte die Hände über dem Kopf.
    Zakariyya blieb stehen und sah uns an. Seine schwarzen Haare waren eng an den Kopf gekämmt, das Gesicht war glatt und jugendlich wie das von Deborah; nur die Brauen waren vom jahrzehntelangen finsteren Blick gerunzelt. Die Augen hinter den dicken Kunststoffbrillengläsern waren geschwollen, blutunterlaufen und von tiefen dunklen Ringen umgeben. Eine Hand lag auf einem Metallspazierstock, der genauso aussah wie der von Deborah, in der anderen hielt er einen großen Pappteller mit mindestens einem halben Liter Speiseeis, vielleicht auch mehr. Unter dem Arm hatte er die zusammengefalteten Anzeigenteile mehrerer Zeitungen.
    »Du hast mir gesagt, du kommst erst in’ner Stunde«, schnauzte er.

    »Au … ja … tut mir leid«, murmelte Deborah. »Es war wenig Verkehr.«
    »Ich bin noch nich fertig«, sagte er, griff nach dem Zeitungsbündel unter seinem Arm und schlug Davon damit heftig ins Gesicht. »Warum haste die mitgebracht?«, schrie er. »Du weißt doch, dass ich keine Kinder in der Nähe will.«
    Deborah legte die Hand auf Davons Kopf und drückte ihn seitlich an sich. Sie stammelte, die Eltern der beiden müssten arbeiten und sonst könne niemand auf sie aufpassen, versicherte aber, die beiden würden leise sein – das würden sie doch? Ohne ein weiteres Wort drehte Zakariyya sich um und ging zu einer Bank vor dem Haus.
    Deborah tippte mir auf die Schulter und zeigte auf eine andere Bank auf der gegenüberliegenden Seite des Hauseinganges, etwa fünf Meter von Zakariyya entfernt. »Setzen wir uns dahin«, flüsterte sie; dann rief sie laut: »Na los, Jungs, zeigt Miss Rebecca mal, wie schnell ihr laufen könnt!«
    Alfred und Davon rannten auf dem gepflasterten Wendehammer vor Zakariyyas Wohngebäude herum und riefen: »Kuck mal! Kuck mal! Mach mal Foto!«
    Zakariyya saß da, aß sein Eis und las seine Anzeigen, als wären wir Luft.

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