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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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Dutzenden von Notizbuchseiten hatte Deborah Definitionen wissenschaftlicher und juristischer Begriffe sowie Gedichte über ihr Leben aufgeschrieben:
    Krebs
Untersuchung
Kann ich mir nicht leisten
Weiße und Reiche kriegen es
Meine Mutter war schwarz
Arme schwarze Leute haben nicht das Geld dafür
Verrückt, ja, ich bin verrückt
    Man hat uns benutzt, unser Blut genommen und uns belogen
    Wir mussten unsere eigene Medizin bezahlen, kann man das glauben
    John Hopkin Hospital und alle anderen, die Zellen meiner Mutter haben, geben ihr
    Nichts.
    Während ich las, nahm Deborah mehrere fotokopierte Seiten aus einem Ratgeber für Ahnenforschung und hielt sie mir hin. Dazu sagte sie: »Daher weiß ich, wie man die Handlungsvollmacht kriegt und das ganze Zeug, um in Crownsville an die Informationen
über meine Schwester zu kommen. Die ham nich gewusst, wen se da verarschen wollen!« Während sie sprach, sah sie mir zu, wie ich den Papierstapel durchblätterte.
    Ich hielt eine Seite aus den Berichten dicht vor mein Gesicht, um die kleine Schrift entziffern zu können, dann las ich laut vor: »Diese 28-Jährige … irgendwas … kann die Schrift nicht lesen … Rhesus positiv«. Die Eintragung war auf den 2. November 1949 datiert.
    »Wow!«, sagte ich. »Das war drei Tage vor deiner Geburt – hier, deine Mutter ist schwanger mit dir.«
    »Was? Mein Gott!«, schrie Deborah, griff nach dem Papier und starrte es mit aufgerissenem Mund an. »Und was steht da sonst noch?«
    Ich erklärte, es sei ein normaler Untersuchungsbericht. »Sieh mal hier«, sagte ich und zeigte auf das Blatt. »Ihr Muttermund ist schon zwei Zentimeter geöffnet… Bald ist es so weit und sie bringt dich zur Welt.«
    Deborah hüpfte auf dem Bett auf und ab, klatschte in die Hände und nahm sich eine andere Seite aus den Krankenakten. »Lies mal das hier!«
    Der Bericht war vom 6. Februar 1951. »Das war ungefähr eine Woche nachdem sie zum ersten Mal mit dem Gebärmutterhalskrebs in die Klinik gegangen ist«, sagte ich. »Sie ist nach der Biopsie aus der Narkose aufgewacht. Hier steht, dass sie sich wohlgefühlt hat.«
    In den nächsten Stunden zog Deborah ein Blatt nach dem anderen aus dem Stapel, damit ich es vorlesen und sortieren konnte. Manchmal kreischte sie vor Freude über etwas, das ich gefunden hatte, dann wieder geriet sie über etwas, das ihr nicht gefiel, in Panik, manchmal auch einfach darüber, dass ich dasaß und ein Blatt aus den Krankenakten ihrer Mutter in der Hand hatte. Jedes Mal, wenn sie in Panik geriet, klopfte sie auf das Bett und sagte: »Wo ist der Obduktionsbericht über meine
Schwester?« Oder »O nein, wo hab ich nur meinen Zimmerschlüssel hingelegt?«
    Hin und wieder stopfte sie irgendwelche Papiere unters Kopfkissen und zog sie erst wieder hervor, wenn sie zu dem Schluss gelangt war, dass ich sie jetzt sehen durfte. Irgendwann sagte sie: »Hier is die Obduktion von meiner Mutter.« Wenige Minuten später gab sie mir ein Blatt, das ihr nach eigenen Angaben das liebste war, weil es die Unterschrift ihrer Mutter trug – die einzige überlieferte Handschriftenprobe von Henrietta. Es war die Einverständniserklärung, die sie vor der Radiumbehandlung, bei der die ursprüngliche HeLa-Probe entnommen wurde, unterzeichnet hatte.
    Schließlich wurde Deborah ganz still. Sie lag auf der Seite – neben sich das Bild von Elsie aus Crownsville – und war so ruhig, dass ich schon dachte, sie sei eingeschlafen. Aber dann flüsterte sie: »O mein Gott. Wie sie ihren Hals halten, das gefällt mir gar nicht.« Sie hob das Bild in die Höhe und zeigte auf die weißen Hände.
    »Nein«, sagte ich, »das gefällt mir auch nicht.«
    »Du hast gehofft, dass es mir nich auffällt, stimmt’s?«
    »Nein. Ich habe gewusst, dass es dir auffallen würde.«
    Sie legte den Kopf wieder auf das Kissen. So ging es stundenlang weiter: Ich las und machte mir Notizen, Deborah starrte Elsies Bild an, und ihr Schweigen wurde nur gelegentlich durch sparsame Kommentare unterbrochen: »Meine Schwester sieht aus, als ob sie Angst hat.« … »Mir gefällt dieser Blick in ihrem Gesicht nich.« … »Ob sie sich verschluckt hat?« … »Ich glaub, sie hat einfach aufgegeben, nachdem ihr klar war, dass meine Mutter nicht mehr kommt.« Immer wieder schüttelte sie heftig den Kopf, als wollte sie sich von irgendetwas befreien.
    Schließlich lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und rieb mir die Augen. Es war schon mitten in der Nacht, und immer noch lag ein großer

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