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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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alle drei zusammen sind – jedenfalls beinahe.«
    Schließlich kamen wir zum Haus von Henriettas Schwester
Gladys, einer kleinen gelben Hütte mit Schaukelstühlen auf der vorderen Veranda. Drinnen trafen wir Gladys: Sie saß in ihrem mit dunklem Holz vertäfelten Wohnzimmer. Draußen war es warm – das richtige Wetter für kurzärmelige Hemden -, aber Gladys hatte ihren ausladenden schwarzen Holzofen heftig eingeheizt und wischte sich immer wieder mit einem Papiertuch den Schweiß von der Stirn. Ihre Hände und Füße waren von der Arthritis knotig, und ihr Rücken war so stark gebeugt, dass die Brust fast die Knie berührte, wenn sie sich nicht mit einem Ellenbogen aufstützte. Sie trug keine Unterwäsche, sondern nur ein dünnes Nachthemd, das ihr durch das stundenlange Sitzen im Rollstuhl bis über die Hüfte hochgerutscht war.
    Als wir hereinkamen, bemühte sie sich, das Nachthemd hinunterzustreifen und sich zu bedecken, aber sie konnte es mit den Händen nicht festhalten. Deborah half ihr und fragte: »Wo sind denn die anderen?«
    Gladys sagte nichts. Im Nebenzimmer stöhnte ihr Mann in einem Pflegebett – er hatte nur noch wenige Tage zu leben.
    »Ach ja«, sagte Deborah, »die sind arbeiten, stimmt’s?«
    Gladys sagte immer noch nichts, also hob Deborah die Stimme und sprach sehr laut, damit die alte Frau sie auf jeden Fall hören konnte: »Ich hab Internet!«, schrie sie. »Ich mach’ne Website über meine Mutter, und dann kriegen wir hoffentlich’n paar Spenden und Geld, dann komm ich wieder her und bau’n Denkmal auf ihrem Grab, und aus dem alten Home-House da machen wir’n Museum, damit die Leute sich dran erinnern, dass meine Mutter von hier war!«
    »Was tust du da rein?«, fragte Gladys, als wäre Deborah verrückt.
    »Zellen«, antwortete Deborah. »Zellen, damit die Leute sehen können, wie sie sich vermehrt.«
    Sie hielt kurz inne und dachte nach. »Und ein großes Bild von
ihr, und vielleicht noch’n paar Wachsfiguren. Außerdem’n paar alte Klamotten und den Schuh aus dem Haus. Das alles bedeutet’ne Menge.«
    Plötzlich ging die Haustür auf, und Gladys’ Sohn Gary kam herein. »Hey, Cuz!«, rief er. Gary war 50, hatte die typische glatte Lacks-Haut, einen schmalen Schnauzer, ein Unterlippenbärtchen und zwischen den Vorderzähnen eine Lücke, die den Mädchen gut gefiel. Er trug ein rot-blau gemustertes kurzärmeliges Polohemd, das zu seinen Bluejeans und den roten Turnschuhen passte.
    Deborah quiekte, schlang die Arme um Garys Hals und zog dann das Foto von Elsie aus der Tasche. »Guck mal, was wir aus Crownsville mitgebracht haben! Das is meine Schwester!« Garys Lächeln verschwand, und er griff nach dem Bild.
    »Schlechte Aufnahme«, sagte Deborah. »Sie weint, weil’s kalt is.«
    »Zeig ihm doch mal das Bild von ihr als Kind auf der Veranda«, schlug ich vor. »Die Aufnahme ist gut.« Gary sah mich an, als wollte er sagen: Was um Himmels willen ist denn hier los?
    »Sie hat sich ein bisschen über das Bild aufgeregt«, sagte ich.
    »Ich weiß schon, warum«, flüsterte er.
    »Außerdem hat sie zum ersten Mal die Zellen ihrer Mutter gesehen« fügte ich hinzu.
    Gary nickte. Ich hatte mich im Laufe der Jahre viele Stunden mit ihm unterhalten. Er verstand besser als jeder andere in der Familie, wer Deborah war und was sie durchgemacht hatte. Deborah zeigte auf den Ausschlag in ihrem Gesicht. »Ich hab’ne Reaktion, es schwillt an und bricht aus. Ich weine und bin gleichzeitig glücklich.« Sie ging jetzt hin und her, und ihr Gesicht glänzte vor Schweiß, während der Holzofen bullerte und den größten Teil des Sauerstoffs aus dem Zimmer zu saugen schien. »Das ganze Zeug, was ich jetzt lerne«, sagte sie, »das hat mir klargemacht, dass ich wirklich’ne Mutter hatte und
dass sie so’ne Tragödie durchgemacht hat. Es tut weh, aber ich will noch mehr wissen, außerdem will ich was über meine Schwester wissen. Ich fühl mich ihnen dann näher, aber ich vermisse sie auch. Wär schön, wenn sie noch da wären.«
    Den Blick auf Deborah gerichtet ging Gary quer durch das Zimmer, setzte sich auf einen übergroßen Ruhesessel und lud uns mit einer Bewegung ein, uns zu ihm zu setzen. Aber Deborah nahm nicht Platz. Sie ging immer noch auf dem Linoleumfußboden hin und her, kratzte den roten Lack von ihren Fingernägeln und redete zusammenhanglos über einen Mord, von dem sie in den Nachrichten gehört hatte, dann vom Verkehr in Atlanta. Gary folgte ihr mit den Blicken.
    »Cuz«, sagte

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