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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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Frau: »Meine Schwester hat sich geärgert, weil se nach mir gesucht und mich nich gefunden hat.«
    Hin und wieder hielt sie am Straßenrand an, forderte mich mit einer Handbewegung auf, neben sie zu fahren, und vertraute mir dann verschiedene Gedanken an, die ihr im Laufe der Fahrt gekommen waren. Einmal war sie zu dem Entschluss gelangt, sich für Bibel und Haare ihrer Mutter ein Schließfach zu mieten; später fragte sie, ob sie ein Copyright auf Henriettas Unterschrift anmelden müsse, damit niemand sie stehlen konnte. Als wir an einer Tankstelle in der Schlange vor der Toilette warteten, zog sie einen Hammer aus ihrem Rucksack und sagte: »Ich würd mir wünschen, dass die Familie mir das Home-House gibt, damit ich’ne Gedenkstätte draus machen kann. Aber das machen se nich, deshalb nehm ich die Türklinke mit, damit ich wenigstens etwas davon hab.«
    Als Deborah wieder einmal aus dem Auto stieg, sah sie aus, als wäre sie den Tränen nahe. »Is mir ganz schön schwergefallen, die Augen auf der Straße zu halten«, sagte sie. »Ich musste immer das Bild von meiner Schwester angucken.« Während der ganzen Fahrt hatten die beiden Bilder von Elsie neben ihr auf dem Beifahrersitz gelegen und sie beim Fahren angestarrt. »Ich krieg einfach diese Gedanken nich ausm Kopf. Ich muss immer dran denken, was se damals durchgemacht haben muss, in den Jahren, bevor se gestorben is.«
     
    Ich wollte ihr das Bild wegnehmen, damit sie sich nicht so damit herumquälte, aber das hätte sie nicht zugelassen. Stattdessen erklärte ich immer wieder, wir sollten vielleicht besser nach Hause fahren, es seien anstrengende Tage gewesen, und sie sei auf so viel Reportage an einem Stück vielleicht nicht eingestellt. Aber darauf erwiderte sie jedes Mal, ich sei verrückt, wenn ich glaubte, sie werde jetzt aufhören. Also machten wir weiter.

    Während des Tages sagte Deborah mehrmals, ich solle die Krankenakten ihrer Mutter mit in mein Hotelzimmer nehmen, wenn wir irgendwo übernachteten. »Ich weiß, du musst dir jede Seite angucken, Notizen machen und so was, du musst ja alles erfahren.« Als wir gegen 21 Uhr schließlich irgendwo zwischen Annapolis und Clover in einem Hotel eincheckten, gab sie mir die Papiere.
    »Ich geh jetzt schlafen«, sagte sie und marschierte in das Zimmer neben meinem. »Hau rein!«

34
    Die Krankenakten
    E in paar Minuten später hämmerte Deborah an meine Tür. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt ein riesiges weißes T-Shirt, das ihr bis über die Knie reichte. Darauf waren das Bild einer Strichmännchenfrau, die Plätzchen aus dem Ofen holt, und das Wort OMA in großen, kindlichen Druckbuchstaben. »Ich hab mir überlegt, dass ich doch noch nich ins Bett geh«, sagte sie resolut. »Ich will mir das Zeug mit dir ankucken.« Sie wirkte zitterig und unruhig, als hätte sie gerade mehrere Tassen Espresso getrunken. In einer Hand hielt sie das Bild von Elsie aus Crownsville, mit der anderen griff sie nach der Tasche mit den Krankenakten ihrer Mutter, die ich auf eine Kommode gelegt hatte. Genau wie am Abend unseres ersten Zusammentreffens schüttete sie den Inhalt der Tasche einfach auf mein Bett.
    »An die Arbeit«, sagte sie.
    Es waren mehr als 100 Seiten, viele davon zerknittert, gefaltet oder zerrissen und alle völlig ungeordnet. Für kurze Zeit starrte ich sie verblüfft und überwältigt an, dann sagte ich, wir könnten sie vielleicht sortieren und anschließend eine Stelle finden, wo ich das, was wir brauchten, fotokopieren konnte.
    »Nein!«, rief Deborah und sah mich mit einem nervösen Lächeln an. »Wir können doch einfach alles hier lesen, und du machst dir Notizen.«
    »Aber das dauert Tage«, erwiderte ich.
    »Dauert es nich«, sagte Deborah, kletterte auf allen vieren über den Papierstapel und setzte sich im Schneidersitz mitten aufs Bett.
    Ich zog mir einen Sessel heran, öffnete meinen Laptop und fing an, die Papiere zu sortieren. Es gab eine notarielle Urkunde
über das kleine Stück Land in Clover, das Deborah mit den 2000 Dollar aus der Asbestentschädigung ihres Vaters gekauft hatte. Dann fand ich einen Zeitungsausschnitt von 1997 mit einem Fahndungsfoto von Lawrences Sohn. Die Unterschrift lautete: GESUCHT: LAWRENCE LACKS WEGEN RAUBÜBERFALL MIT TÖDLICHER WAFFE. Weiter gab es Bestellformulare für den Onlinekauf von HeLa-Zellen, Quittungen, Rundschreiben von Deborahs Kirche und eine scheinbar endlose Zahl von Kopien des Fotos von Henrietta mit den Händen in den Hüften. Auf

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