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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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wir uns miteinander unterhielten.
    »Deborah ist Henriettas Jüngste«, sagte er nüchtern. »Die Familie nennt sie Dale. Sie ist jetzt fast fünfzig, wohnt immer noch in Baltimore und hat selbst schon Enkel. Henriettas Mann lebt noch. Er ist ungefähr 84 und geht immer noch ins Johns Hopkins.« Die letzte Bemerkung ließ er fallen wie einen Köder.
    »Wussten Sie, dass eine Tochter von Henrietta Epileptikerin war?«, wollte Pattillo wissen.
    »Nein.«
    »Sie ist mit 15 Jahren gestorben, kurz nach Henriettas Tod. Deborah ist die einzige Tochter, die heute noch lebt«, sagte er. »Vor Kurzem hätte sie fast einen Schlaganfall bekommen wegen der ganzen Qualen, die sie im Zusammenhang mit den Recherchen zum Tod ihrer Mutter und diesen Zellen erlitten hat. Ich werde nicht daran mitwirken, dass irgendjemand ihr noch einmal so etwas antut.«
    Ich setzte zum Sprechen an, aber er ließ mich nicht zu Wort kommen.
    »Ich muss mich jetzt um meine Patienten kümmern«, sagte er.
    »Ich bin noch nicht bereit, den Kontakt zwischen Ihnen und der Familie herzustellen. Ich glaube aber, dass Sie ehrliche Absichten haben. Wir werden uns noch einmal sprechen, wenn ich etwas nachgedacht habe. Rufen Sie morgen wieder an.«

    Nachdem Pattillo mich drei Tage lang ausgefragt hatte, entschloss er sich endlich, mir Deborahs Telefonnummer zu geben. Aber vorher, so erklärte er, müsse ich ein paar Punkte wissen. Mit gesenkter Stimme ratterte er eine Liste von Dingen herunter, die ich im Umgang mit Deborah Lacks tun und lassen sollte: Seien Sie nicht aggressiv. Seien Sie ehrlich. Seien Sie nicht kaltschnäuzig, und versuchen Sie nicht, sie zu etwas zu zwingen. Reden Sie sie nicht an die Wand, das mag sie gar nicht. Seien Sie mitfühlend, denken Sie daran, dass sie wegen dieser Zellen eine Menge durchgemacht hat, haben Sie Geduld. »Geduld brauchen Sie mehr als alles andere«, versicherte er mir.
     
    Kurz nachdem ich aufgelegt hatte – die Liste mit seinen Anweisungen hielt ich noch in der Hand -, wählte ich Deborahs Nummer. Während das Telefon klingelte, ging ich auf und ab. Als sie sich flüsternd meldete, platzte ich heraus: »Ich bin sehr froh, dass Sie rangehen! Ich will schon seit Jahren mit Ihnen sprechen. Ich schreibe ein Buch über Ihre Mutter.«
    »Hä?«, gab sie zurück.
    Ich wusste nicht, dass Deborah fast taub und in hohem Maße aufs Lippenlesen angewiesen war. Wenn jemand sehr schnell sprach, konnte sie kaum folgen.
    Ich holte tief Luft und probierte es noch einmal. Dabei zwang ich mich, jede Silbe präzise zu artikulieren.
    »Hallo, mein Name ist Rebecca.«
    »Wie geht’s?«, sagte sie müde, aber freundlich.
    »Ich bin ganz aufgeregt, dass ich mit Ihnen sprechen kann.«
    »Mhmh«, sagte sie, als habe sie den Satz schon oft gehört.
    Ich erklärte ihr noch einmal, ich wolle ein Buch über ihre Mutter schreiben; außerdem sei ich überrascht, dass offenbar niemand etwas Genaueres über sie wusste, obwohl ihre Zellen für die Wissenschaft doch so wichtig seien.
    Deborah schwieg einen Augenblick, dann kreischte sie: »Ja,
das stimmt!« Sie kicherte und fing an zu reden, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. »Immer geht’s nur um die Zellen, und niemand kümmert sich um ihren Namen und dass HeLa sogar’n Mensch war. Also halleluja! So’n Buch wär sicher toll.«
    Damit hatte ich nicht gerechnet.
    Ich hatte Angst, ich könnte irgendetwas sagen, was sie zum Schweigen bringen könnte, also erwiderte ich nur: »Toll.« Es war das letzte Wort, das ich in diesem Telefongespräch sagte. Ich stellte keine Fragen mehr, sondern machte mir nur Notizen, so schnell ich konnte.
    In die folgenden 45 Minuten packte Deborah hektisch und teilweise verwirrend Informationen aus einem ganzen Leben. Dabei sprang sie ohne sichtbaren Bezug und scheinbar zusammenhanglos von den 1920er in die 1990er Jahre, mischte Geschichten über ihren Vater mit welchen über den Großvater, die Vettern, ihre Mutter und völlig Fremde.
    »Mir hat nie einer was gesagt«, erklärte sie. »Ich mein, wo war die Kleidung meiner Mutter? Wo waren ihre Schuhe? Ich hab von ihrer Armbanduhr und ihrem Ring gewusst, aber den ham se gestohlen. Das war, nachdem mein Bruder den Jungen umgebracht hat.« Sie sprach über einen Mann, ohne den Namen zu nennen, und sagte dann: »Ich glaub, es hat sich nich gehört, dass er die Krankenakte und den Obduktionsbericht von meiner Mutter geklaut hat. Er war 15 Jahre in Alabama im Knast. Jetzt sagt er, John Hopkin hätte meine Mutter

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