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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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verbrannte sich am Herd. Henrietta ließ sich von Day zusammen mit Elsie zu Erweckungsgottesdiensten bringen, damit die Prediger in ihren Zelten Elsie die Hand auflegen und sie heilen konnten, aber es klappte nie. In Turner Station lief Elsie manchmal aus dem Haus und rannte dann schreiend die Straße hinunter.
    Als Henrietta mit Joe schwanger war, war Elsie bereits so groß, dass Henrietta allein nicht mehr mit ihr fertig wurde, insbesondere weil noch zwei Babys da waren. Die Ärzte erklärten, es sei das Beste, Elsie wegzugeben. Von nun an wohnte sie eineinhalb Autostunden südlich von Baltimore im Crownsville State Hospital, früher bekannt als »Krankenhaus für geisteskranke Neger«.
    Henriettas Vettern sagten immer, an dem Tag, als sie Elsie weggegeben habe, sei ein Stück von ihr gestorben und der Verlust sei schlimmer gewesen als alles andere, was ihr je zugestoßen war. Jetzt, fast ein Jahr später, ließ Henrietta sich immer noch einmal in der Woche von Day oder einem Vetter nach Crownsville bringen. Dort setzte sie sich zu Elsie, die weinte und sich an Henrietta klammerte, während die beiden gegenseitig mit ihren Haaren spielten.

    Henrietta hatte ein Händchen für Kinder: Sie waren immer brav und ruhig, wenn sie in der Nähe war. Sobald sie aber das Haus verließ, war Lawrence überhaupt nicht mehr brav. Bei schönem Wetter lief er zu der alten Schiffsanlegestelle von Turner Station, was Henrietta ihm ausdrücklich verboten hatte. Der Pier war einige Jahre zuvor abgebrannt, und nun waren davon nur noch hohe Holzpfeiler übrig, von denen aus Lawrence und seine Freunde gern ins Wasser sprangen. Einer von Sadies Söhnen wäre fast einmal ertrunken, weil er mit dem Kopf an einen Felsen geschlagen war, und Lawrence kam immer wieder mit entzündeten Augen nach Hause, für die alle das verseuchte Wasser von Sparrows Point verantwortlich machten. Wenn Henrietta hörte, dass Lawrence an der Anlegestelle war, rannte sie immer sofort hin, zerrte ihn aus dem Wasser und verprügelte ihn.
    »Ach du lieber Gott«, sagte Sadie einmal. »Hennie ist da mit einem Rohrstock runtergegangen. Ja, wirklich. Die hat da einen Tanz aufgeführt, wie ich es noch nie gesehen habe.« Aber nach der Erinnerung aller waren das die einzigen Gelegenheiten, bei denen Henrietta durchdrehte. »Die war zäh«, sagte Sadie. »Hennie hatte vor nichts Angst.«
    Eineinhalb Monate lang wusste niemand in Turner Station, dass Henrietta krank war. Der Krebs ließ sich leicht geheim halten: Nur ein einziges Mal musste sie noch zu einer Nachuntersuchung und einer zweiten Radiumtherapie ins Hopkins. Was die Ärzte dabei sahen, gefiel ihnen: Der Gebärmutterhals war von der ersten Behandlung ein wenig rot und entzündet, aber der Tumor schrumpfte. Dennoch musste sie sich nun auch einer Röntgentherapie unterziehen, und das bedeutete, dass sie einen Monat lang an jedem Wochentag ins Hopkins musste. Dazu brauchte sie Hilfe: Henrietta lebte 20 Autominuten von der Klinik entfernt, und Day arbeitete nachts, das heißt, er konnte sie nach der Bestrahlung erst spätabends nach
Hause bringen. Sie wollte nach der Therapie zu Fuß zu ihrer Cousine Margaret Dion gehen, die nur wenige Häuserblocks vom Hopkins entfernt wohnte, und dort auf Day warten. Aber dazu musste sie Margaret und Sadie erst einmal sagen, dass sie krank war.
    Henrietta erzählte ihren Cousinen während eines Volksfestes, das jedes Jahr nach Turner Station kam, von dem Krebs. Alle drei kletterten sie wie üblich in das Riesenrad, und dann wartete sie, bis sie so hoch waren, dass sie über Sparrows Point hinaus bis zum Meer blicken konnten. Das Riesenrad hielt an, und sie schwenkten die Beine vor und zurück, so dass sie in der kühlen Frühlingsluft ins Schaukeln gerieten.
    »Wisst ihr noch, wie ich gesagt habe, dass ich in mir einen Knoten spüre?«, fragte sie. Die beiden nickten. »Na ja, ich hab Krebs«, sagte Henrietta. »Ich hab schon zweimal drüben im John Hopkins eine Therapie gehabt.«
    »Was?«, sagte Sadie. Sie starrte Henrietta an, und plötzlich wurde ihr schwindlig; es war, als würde sie gleich vom Sitz des Riesenrades rutschen.
    »Is nix Schlimmes«, sagte Henrietta. »Ich fühle mich wohl.«
    Zu jener Zeit sah es so aus, als hätte sie recht. Der Tumor war nach der Radiumbehandlung völlig verschwunden. Soweit es ihre Behandler beurteilen konnten, war Henriettas Gebärmutterhals wieder normal, und auch sonst konnten sie keinen Tumor entdecken. Die Ärzte waren von ihrer Genesung

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