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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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prügelte sie alle blutig. Irgendwann schlug sie Sonny so heftig mit einem Verlängerungskabel, dass er ins Krankenhaus musste. Aber keiner bekam Ethels Zorn so heftig zu spüren wie Joe.
    Manchmal schlug sie Joe ohne jeden Grund, wenn er im Bett lag oder am Esstisch saß. Sie schlug ihn mit den Fäusten oder mit allem, was gerade in der Nähe war: Schuhe, Stühle, Stöcke. Sie ließ ihn auf einem Fuß, die Nase gegen die Wand gedrückt, in einer dunklen Kellerecke stehen. Manchmal fesselte sie ihn mit einem Seil und ließ ihn stundenlang dort unten. Bei anderen Gelegenheiten musste er die ganze Nacht im Keller bleiben. Wenn sie nachsehen kam und sein Fuß nicht in der Luft war, schlug sie ihn mit einem Gürtel auf den Rücken. Weinte er, griff sie erst recht durch. Sonny und Deborah konnten nichts tun, um ihm zu helfen; sobald sie etwas sagten, schlug
Ethel sie alle nur umso heftiger. Aber nach einiger Zeit machten Joe die Schläge nichts mehr aus. Er empfand keine Schmerzen mehr, sondern nur noch Wut.
    Mehr als einmal war die Polizei im Haus und forderte Day oder Ethel auf, Joe vom Dach zu holen: Dort lag er auf dem Bauch und schoss mit seinem Luftgewehr auf vorbeilaufende Fußgänger. Als die Polizisten ihn fragten, was er da oben mache, erklärte Joe, er wolle üben und später Heckenschütze werden. Sie hielten das für einen Witz.
    Joe wuchs zu dem niederträchtigsten, jähzornigsten Kind heran, das es in der Familie Lacks je gegeben hatte. Die Verwandten sagten jetzt, sein Gehirn müsse Schaden genommen haben, als er zusammen mit dem Krebs in Henriettas Leib herangewachsen war.
    Im Jahr 1959 zog Lawrence mit seiner Freundin Bobbette Cooper in ein neues Haus. Er war ihr fünf Jahre zuvor aufgefallen, als er in seiner Uniform über die Straße ging, und sie hatte sich sofort in ihn verliebt. Ihre Großmutter hatte sie gewarnt: »Lass dich nicht mit diesem Jungen ein. Seine Augen sind grün, sein Armeeanzug ist grün, und sein Auto ist grün. Du kannst ihm nicht trauen.« Aber Bobbette hörte nicht auf sie. Als sie 20 und Lawrence 24 war, zogen sie zusammen, und noch im gleichen Jahr kam ihr erstes Kind zur Welt. Außerdem fanden sie heraus, dass Ethel sowohl Deborah als auch ihre Brüder geschlagen hatte. Bobbette bestand darauf, dass die ganze Familie zu ihr und Lawrence zog, und dann kümmerte sie sich um Sonny, Deborah und Joe, als wären es ihre eigenen Kinder.
    Deborah war jetzt zehn. Mit dem Auszug aus Ethels Haus endeten zwar für ihre Brüder die Misshandlungen, für sie aber nicht. Deborahs größtes Problem war Galen, Ethels Mann. Er stellte ihr überall nach.
    Als Galen sie auf eine Weise berührte, die sich nach ihrer Ansicht
nicht gehörte, versuchte sie mit Day darüber zu sprechen, aber der glaubte ihr nicht. Und Ethel beschimpfte Deborah mit
    Worten, die sie noch nie gehört hatte, wie Nutte oder Fotze . Wenn sie – Day am Steuer und Ethel auf dem Beifahrersitz – im Auto saßen und alle außer ihr tranken, saß Deborah auf dem Rücksitz und drückte sich gegen die Tür, um möglichst weit von Galen wegzurücken. Aber er rutschte einfach immer näher. Wenn Day auf dem Vordersitz beim Fahren einen Arm um Ethel gelegt hatte, griff Galen auf dem Rücksitz nach Deborah und schob seine Hand unter ihre Bluse, in ihre Unterhose, zwischen ihre Beine. Nachdem er sie das erste Mal berührt hatte, schwor sich Deborah, nie wieder Jeans mit Druckknöpfen zu tragen. Aber auch Reißverschlüsse hielten ihn nicht auf, ebenso wenig enge Gürtel. Also starrte Deborah einfach aus dem Fenster und betete, Day möge schneller fahren, während sie Galens Hände immer und immer wieder wegschob.
    Eines Tages rief er dann nach Deborah: »Dale, komm mal rüber und hol dir Geld. Du sollst für Ethel Limonade besorgen.«
    Als Deborah in Galens Haus kam, lag er nackt auf dem Bett. Sie hatte noch nie einen Penis gesehen und wusste nicht, was es bedeutet, wenn er erigiert ist oder wenn ein Mann daran reibt. Sie spürte nur, dass hier etwas ganz und gar nicht so war, wie es sein sollte.
    »Ethel will ein Sixpack Limo«, sagte Galen zu Deborah. Dann klopfte er neben sich auf die Matratze. »Das Geld ist hier.«
    Deborah hielt den Blick auf den Fußboden gerichtet und lief, so schnell sie konnte. Sie schnappte sich das Geld vom Bett, duckte sich, als er nach ihr greifen wollte, und rannte die Treppe hinunter. Er lief nackt hinter ihr her und schrie: »Komm zurück, ich bin noch nicht mit dir fertig, Dale! Du kleine Hure! Warte

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