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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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Frage ernsthaft anderer Meinung sind als ich, können wir uns sehr gern darüber unterhalten.«

    In seiner Antwort an Berg schrieb Gey: »Man könnte auch rund um einen fiktiven Namen eine interessante Story aufbauen.« Er wandte sich aber nicht grundsätzlich dagegen, den wahren Namen preiszugeben. »Es könnte für Sie dennoch eine Chance bestehen, Ihr Anliegen zu verwirklichen«, fügte er hinzu. »Mir ist völlig klar, wie wichtig die zwischenmenschlichen Elemente in einer solchen Geschichte sind; deshalb würde ich vorschlagen, dass Sie vorbeikommen und sich mit Dr. TeLinde und mir treffen.«
    Gey klärte Berg zu keinem Zeitpunkt darüber auf, dass der Minneapolis Star Henriettas Namen falsch geschrieben hatte, und Berg verfasste seinen Artikel nicht. Aber die Presse blieb am Ball. Einige Monate später wandte sich ein Reporter namens Bill Davidson vom Magazin Collier’s an Gey: Er hatte vor, praktisch die gleiche Geschichte zu schreiben, die auch schon Berg geplant hatte. Dieses Mal nahm Gey eine entschiedenere Haltung ein – was vielleicht daran lag, dass Davidson im Gegensatz zu Berg keine Beziehungen zu einer von Geys wichtigen Finanzierungsorganisationen hatte. Gey erklärte sich zu einem Interview bereit, stellte aber zwei Bedingungen: Erstens wollte er den fertigen Artikel lesen und genehmigen, und zweitens durfte das Magazin nicht die persönliche Geschichte oder den vollständigen Namen der Patientin veröffentlichen, von der die Zellen stammten.
    Die zuständige Redakteurin protestierte. Ähnlich wie Berg schrieb auch sie: »Die menschliche Seite der Geschichte hinter diesen Zellen wäre für die Öffentlichkeit von großem Interesse.« Aber Gey gab nicht nach. Wenn sie wollte, dass er oder einer seiner Kollegen mit Davidson sprach, musste Collier’s den Artikel ohne den Namen der Patientin veröffentlichen. Schließlich willigte die Redakteurin ein, und am 14. Mai 1954 erschien im Collier’s ein Bericht über die Leistungsfähigkeit und die vielversprechenden Aussichten der Gewebekultur.

    Auf dem Bildschirm zuzusehen, wie HeLa-Zellen sich teilten, war nach Davidsons Worten »wie ein Blick auf die Unsterblichkeit«. Durch die Zellkultur, so schrieb er, stehe die Welt »an der Schwelle zu einer neuen Ära voller Hoffnung, in der Krebs, Geisteskrankheiten und sogar nahezu alle Krankheiten, die heute als unheilbar gelten, den Menschen nicht mehr quälen werden«. Das alles sei zu einem großen Teil den Zellen einer Frau zu verdanken, »einer unbesungenen Heldin der Medizin«. Ihr Name wurde in dem Bericht mit Helen L. angegeben, »eine junge Frau in den Dreißigern, die mit einer unheilbaren Krebserkrankung des Gebärmutterhalses in das Johns Hopkins Hospital aufgenommen wurde«. Außerdem hieß es, Gey habe die Zellen von Helen L. aus einer Gewebeprobe herangezüchtet, die man nicht vor, sondern nach ihrem Tod entnommen habe.
    Woher die beiden Fehlinformationen stammten, ist nicht bekannt, aber man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie aus dem Hopkins kamen. Vereinbarungsgemäß hatte die Redakteurin des Collier’s den Artikel vor der Veröffentlichung zur Durchsicht an Gey geschickt. Eine Woche später bekam sie von Joseph Kelly, dem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Hopkins, die korrigierte Version zurück. Kelly hatte den Artikel – vermutlich mit Geys Hilfe – neu geschrieben und dabei mehrere wissenschaftliche Fehler korrigiert; zwei Ungenauigkeiten hatte er aber stehen lassen: den Zeitpunkt der Zellentnahme und den Namen Helen L.
    Jahrzehnte später, als ein Journalist des Rolling Stone sich bei Margaret Gey erkundigte, wie es zu dem Namen Helen Lane gekommen sei, antwortete sie: »Ach, das weiß ich nicht. Es wurde von einem Verlag in Minneapolis verwechselt. Der Name sollte eigentlich überhaupt nicht aufgedeckt werden. Da hat irgendjemand etwas durcheinandergebracht.«
    Einer von Geys Kollegen erzählte mir, Gey habe sich das Pseudonym
ausgedacht, um die Journalisten von Henriettas wahrer Identität abzulenken. Sollte es so gewesen sein, ist seine Rechnung aufgegangen. Von dem Augenblick an, als der Artikel im Collier’s erschien, bis in die Siebzigerjahre war die Frau hinter den HeLa-Zellen meist als Helen Lane bekannt. Manchmal hieß sie auch Helen Larson, aber nie Henrietta Lacks. Deshalb hatte auch ihre Familie keine Ahnung, dass ihre Zellen noch am Leben waren.

15
    »So klein, dass du dich nicht daran erinnern kannst«
    N achdem Henrietta bestattet war, trafen Cousinen

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