Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks
der am 2. November 1953 als erste Zeitung den Namen der Frau hinter den HeLa-Zellen nannte. Die Sache hatte nur einen Haken: Er war falsch geschrieben. Die HeLa-Zellen, so hieß es in dem Artikel, stammten »von einer Frau aus Baltimore namens Henrietta Lakes«.
Wer dem Minneapolis Star diese beinahe richtige Version von Henriettas Namen verraten hatte, weiß niemand. Kurz nachdem der Artikel erschienen war, erhielt Gey einen Brief von Jerome Syverton. Darin hieß es: »Ich schreibe Ihnen, um Ihnen zu versichern, dass weder Bill noch ich denen [dem Minneapolis Star ] den Namen der Patientin genannt habe. Wie Sie wissen, sind Bill und ich gleichermaßen überzeugt, dass man den Zellstamm als HeLa bezeichnen und den Namen der Patientin nicht verwenden sollte.«
Aber der Name war nun einmal publik geworden. Zwei Tage nach der Veröffentlichung erklärte der NFIP-Pressesprecher Roland H. Berg in einem Brief an Gey, er wolle für eine Publikumszeitschrift einen ausführlicheren Artikel über die HeLa-Zellen
verfassen. Berg bekannte, er sei »fasziniert von den wissenschaftlichen und menschlichen Aspekten einer solchen Geschichte« und wolle mehr darüber erfahren.
In seiner Antwort schrieb Gey: »Ich habe mit Dr. TeLinde gesprochen, und er hat sich einverstanden erklärt, eine Präsentation dieses Themas in einem Publikumsmagazin zu gestatten. Den Namen der Patientin müssen wir jedoch geheim halten.« Aber Berg blieb hartnäckig:
Vielleicht sollte ich Ihnen etwas genauer beschreiben, wie ich mir diesen Artikel vorstelle, insbesondere angesichts Ihrer Aussage, der Name der Patientin müsse geheim gehalten werden … Um [die Öffentlichkeit] zu informieren, muss man auch ihr Interesse wecken … Man fesselt die Aufmerksamkeit der Leser aber nur, wenn die Story auch von allgemeinem menschlichen Interesse ist. Und auf die Geschichte der HeLa-Zellen trifft nach dem Wenigen, was ich bisher darüber weiß, genau dies zu …
Im Rahmen der Geschichte wäre es unverzichtbar zu beschreiben, wie die Zellen, die ursprünglich von Henrietta Lakes gewonnen wurden, gezüchtet und zum Nutzen der Menschheit verwendet werden… In einer solchen Story gehört der Name der betreffenden Person aber unbedingt dazu. Wenn ich das Projekt weiterverfolgen würde, hätte ich sogar vor, die Verwandten von Mrs. Lakes zu befragen. Ich würde die Geschichte auch nicht ohne die umfassende Mitarbeit und Zustimmung der Familie von Mrs. Lakes veröffentlichen. Nebenbei bemerkt: Es mag Ihnen vielleicht nicht bewusst sein, aber die Identität der Patientin ist in der Öffentlichkeit bereits ein Thema, da Zeitungsberichte die Person genau identifiziert haben. Ich kann Sie beispielsweise auf den Bericht des Minneapolis Star vom 2. November 1953 verweisen.
Ich habe völliges Verständnis für Ihre Gründe, den Namen der Patientin geheim zu halten und so eine mögliche Verletzung der Privatsphäre zu vermeiden. Ich glaube aber, dass die Rechte aller Beteiligten in dem Artikel, den ich mir vorstelle, vollumfänglich gewahrt bleiben würden.
Wie die öffentliche Nennung von Henriettas Namen die Privatsphäre oder die Rechte ihrer Familie schützen sollte, erklärte Berg nicht. In Wirklichkeit hätte es Henrietta und ihre Familie ein für alle Mal mit den Zellen und allen medizinischen Erkenntnissen, die man eines Tages aus ihrer DNA gewinnen sollte, in Verbindung gebracht. Die Privatsphäre der Familie Lacks wäre damit nicht geschützt worden, aber es hätte ihr Leben mit Sicherheit verändert. Sie hätten erfahren, dass Henriettas Zellen noch am Leben waren und dass man sie ihr ohne Wissen der Angehörigen entnommen hatte, dass sie gekauft, verkauft und in der Forschung benutzt wurden.
Gey leitete den Brief an TeLinde und andere am Hopkins weiter, unter anderem auch an den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit. Er wollte wissen, wie er reagieren sollte.
»Ich sehe keinen Grund, warum man daraus nicht auch ohne ihren Namen zu nennen eine interessante Story machen kann«, antwortete TeLinde. »Und deshalb halte ich es für sinnlos, durch die Freigabe das Risiko einzugehen, dass wir in Schwierigkeiten geraten.«
Welche »Schwierigkeiten« TeLinde für den Fall der Nennung von Henriettas Namen befürchtete, sagte er nicht. Die vertrauliche Behandlung von Patienteninformationen setzte sich in der Praxis zwar immer mehr durch, aber gesetzlich vorgeschrieben war sie nicht; die Freigabe war also nicht völlig ausgeschlossen. TeLinde an Gey: »Wenn Sie in dieser
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