Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks
nur, wenn ich das deinem Vater erzähle.«
Deborah kam davon, und das machte ihn nur noch wütender. Trotz der Schläge und des Missbrauchs fühlte Deborah sich Galen näher, als sie es gegenüber Day jemals empfunden hatte. Wenn Galen sie nicht schlug, überschüttete er sie mit Aufmerksamkeit und Geschenken. Er kaufte ihr hübsche Kleidung und ging mit ihr Eis essen. In solchen Augenblicken stellte Deborah sich vor, er wäre er ihr Vater, und dann fühlte sie sich wie ein ganz normales kleines Mädchen. Aber nachdem er sie nackt durchs Haus verfolgt hatte, schien es die Sache nicht mehr wert zu sein, und schließlich sagte sie ihm, sie wolle keine Geschenke mehr.
»Ich hab dir ein Paar Schuhe gekauft«, antwortete er, hielt dann inne und streichelte Dales Arm. »Du musst dir keine Sorgen machen. Ich zieh ein Gummi über, du brauchst keine Angst zu haben, dass du schwanger wirst.« Deborah hatte nie etwas von einem Gummi gehört und wusste nicht, was »schwanger« bedeutete; sie wusste nur, dass sie in Ruhe gelassen werden wollte.
Mittlerweile hatte Deborah angefangen, bei anderen Leuten für kleine Geldbeträge zu bügeln und den Fußboden zu schrubben. Nach der Arbeit wollte sie allein nach Hause gehen, meistens aber passte Galen sie unterwegs ab und versuchte, sie im Auto zu berühren. Eines Tages, nicht lange nach ihrem zwölften Geburtstag, hielt er wieder einmal neben Deborah an und sagte, sie solle einsteigen. Dieses Mal ging sie weiter.
Galen bremste scharf und schrie: »Du wirst jetzt in dieses verdammte Auto einsteigen, Mädchen!«
Deborah weigerte sich. »Warum sollte ich einsteigen?«, fragte sie. »Ich tue nichts Unrechtes. Es ist noch hell, und ich gehe einfach die Straße entlang.«
»Dein Vater sucht dich«, schnauzte er zurück.
»Dann sag ihm, er soll mich abholen! Du hast Dinge mit mir getan, die du nicht tun solltest«, schrie sie. »Ich will nie mehr
mit dir allein sein. Der Herr hat mir genug Verstand gegeben, dass ich das weiß.«
Sie drehte sich um und wollte weglaufen, aber er schlug sie, packte sie am Arm, stieß sie ins Auto und kühlte wieder sein Mütchen an ihr.
Als Deborah ein paar Wochen später zusammen mit einem Nachbarsjungen namens Alfred »Cheetah« Carter von der Arbeit nach Hause ging, hielt Galen wieder neben ihnen und brüllte, sie solle einsteigen. Als Deborah sich weigerte, raste Galen mit quietschenden Reifen die Straße hinunter. Ein paar Minuten später hielt er erneut neben ihr, und dieses Mal saß Day auf dem Beifahrersitz. Galen sprang aus dem Auto, schrie und beschimpfte sie als Hure. Er packte Deborah am Arm, warf sie ins Auto und versetzte ihr einen heftigen Schlag ins Gesicht. Ihr Vater starrte nur stumm durch die Windschutzscheibe.
Deborah weinte auf dem ganzen Heimweg zum Haus von Bobbette und Lawrence. Aus einer Platzwunde an ihrer Augenbraue tropfte das Blut. Als sie ankamen, sprang sie aus dem Auto und rannte durchs Haus geradewegs zu dem Kleiderschrank, in dem sie sich immer versteckte, wenn sie wütend war. Die Tür hielt sie von innen zu. Bobbette sah Deborah, sah das Blut in ihrem Gesicht und folgte ihr. Während Deborah schluchzend im Kleiderschrank saß, klopfte Bobbette an die Tür und fragte: »Dale, was um Himmels willen ist denn los?« Bobbette gehörte mittlerweile lange genug zur Familie, um zu wissen, dass die Vettern und Cousinen manchmal sehr grob miteinander umgingen. Davon aber, dass Deborah von Galen misshandelt wurde, ahnte sie nichts.
Bobbette zog das Mädchen aus dem Kleiderschrank, legte ihm den Arm um die Schultern und sagte: »Dale, wenn du mir nicht sagst, was los ist, kann ich dir auch nicht helfen. Ich weiß, dass du Galen liebst, als wäre er dein Vater, aber jetzt musst du mit der Sprache rausrücken.«
Deborah erzählte Bobbette, dass Galen sie geschlagen hatte und dass er manchmal im Auto schmutzige Sachen zu ihr sagte. Sie erwähnte aber nicht, dass er sie auch berührt hatte, denn sie war sicher, dass Bobbette ihn dann umbringen würde. Und wenn Galen tot war und Bobbette wegen Mordes ins Gefängnis kam, hätte sie ausgerechnet die beiden Menschen verloren, die sich mehr um sie kümmerten als irgendjemand sonst auf der Welt.
Bobbette stürmte hinüber zu Galens und Ethels Haus, stürzte durch die Eingangstür und schrie, wenn einer von beiden noch einmal eines der Lacks-Kinder anfassen sollte, werde sie ihn eigenhändig umbringen.
Wenig später erkundigte sich Deborah bei Bobbette, was denn das Wort schwanger
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