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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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aufgeschlossenes Gesicht. Außerdem war er sehr schlank, höchstens 1,70 Meter groß und trug einen sorgfältig gestutzten Schnauzbart. Er griff nach meiner Tasche.
    »Also schön«, sagte er, »dann wollen wir die Sache mal in Angriff nehmen.«
    Ich folgte ihm zu einem Volvo, der unverschlossen und mit laufendem Motor auf dem Parkplatz neben dem Hotel stand. Den Wagen hatte er sich von einer seiner Töchter geliehen. »In meiner alten schrottigen Lieferkarre will ja keiner mitfahren«,
sagte er und legte in aller Ruhe den Gang ein. »Sind Sie bereit für den Großen Kahuna?«
    »Den Großen Kahuna?«
    »Jau«, gab er grinsend zurück. »Deborah sagt, Sie müssen sich mit unserem Bruder Lawrence unterhalten, bevor irgendjemand anders mit Ihnen spricht. Er wird Sie auf Herz und Nieren prüfen und dann entscheiden, wie es weitergeht. Wenn er sein Okay gibt, sprechen wir anderen vielleicht auch mit Ihnen.«
    Schweigend fuhren wir ein paar Blocks weiter.
    »Lawrence ist von uns Kindern der Einzige, der sich noch an unsere Mutter erinnern kann«, sagte Sonny schließlich.
    »Deborah und ich wissen überhaupt nichts über sie.« Ohne den Blick einmal von der Straße zu wenden, fing Sonny an zu erzählen.
    »Alle sagen, dass sie wirklich nett war und gut kochen konnte«, berichtete er. »Und hübsch war sie auch. Ihre Zellen sind in Atombomben explodiert. Aus ihren Zellen stammen alle diese neuen Produkte, medizinische Wunder wie der Impfstoff gegen Kinderlähmung, eine Heilung für Krebs und andere Sachen, sogar für AIDS. Sie hat sich gern um Leute gekümmert, deshalb ist es schon gut, was sie mit ihren Zellen gemacht haben. Ich meine, die Leute haben immer gesagt, dass sie die Gastfreundschaft in Person war, Sie wissen schon, sie hat alles schön in Ordnung gebracht, ein schönes Zuhause, sie ist aufgestanden, hat für alle Frühstück gemacht, sogar wenn es 20 Leute waren.«
    Hinter einer Reihe roter Backsteinwohnhäuser bog er in eine menschenleere Gasse ein. Und zum ersten Mal, seit wir in den Wagen gestiegen waren, sah er mich an.
    »Hierher bringen wir Wissenschaftler und Reporter immer, wenn sie etwas über unsere Mutter wissen wollen. Hier tut die Familie sich dann gegen sie zusammen«, sagte er und lachte.
    »Aber ich glaube, Sie sind ganz nett, also werde ich Ihnen einen Gefallen tun und dieses Mal nicht meinen großen Bruder Zakariyya holen.«
    Ich stieg aus dem Auto, und Sonny fuhr weg. »Viel Glück!«, rief er mir noch durchs Autofenster zu.
    Über Sonnys Brüder wusste ich nur, dass sie jähzornig waren und dass einer von ihnen einen Menschen umgebracht hatte – welcher und warum, war mir nicht klar. Als Deborah mir ein paar Monate zuvor mit der Versicherung, sie werde nie mit mir sprechen, Lawrences Telefonnummer gegeben hatte, sagte sie: »Mein Bruder dreht durch, wenn Weiße kommen und nach unserer Mutter fragen.«
    Als ich über einen schmalen Innenhof von der Gasse aus auf Lawrences Haus zuging, drang eine Rauchfahne durch die Fliegengittertür seiner Küche, in der laut ein kleiner, auf einem Klapptisch aufgestellter Fernseher rauschte. Ich klopfte und wartete. Nichts. Ich steckte den Kopf in die Küche, wo fette Schweinekoteletts auf dem Herd brutzelten. Ich rief »Hallo«. Immer noch nichts.
    Jetzt holte ich tief Luft und trat ein. Als ich die Tür hinter mir schloss, tauchte Lawrence auf. Mit seiner 1,80 Meter großen 120-Kilo-Figur schien er die enge Küche völlig auszufüllen. Seine eine Hand lag auf dem Küchentisch, mit der anderen stützte er sich an die Wand.
    »Na dann mal hallo, Miss Rebecca«, sagte er, wobei er mich kurz und prüfend musterte. »Ich hab grad Fleisch gebraten, wollen Sie probieren?«
    Es war sicher zehn Jahre her, seit ich zum letzten Mal Schweinefleisch gegessen hatte, aber das schien plötzlich ohne Bedeutung zu sein. »Da kann ich nicht widerstehen«, erwiderte ich.
    Auf Lawrences Gesicht machte sich ein freundliches Grinsen breit. Er war 64, aber von den grauen Locken abgesehen schien
er mit seiner glatten haselnussbraunen Haut und den jugendlichen braunen Augen Jahrzehnte jünger zu sein. Er zog sich die schlabbrigen Bluejeans hoch, wischte sich die Hand an dem fettigen T-Shirt ab und applaudierte.
    »Das ist gut«, sagte er. »Das ist echt gut. Ich brate Ihnen auch ein paar Eier. Sie sind ganz schön dürr.«
    Während er am Herd stand, sprach Lawrence über das Landleben früher. »Wenn die älteren Leute in die Stadt gefahren sind und Tabak verkauft haben, haben

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