Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
Vom Netzwerk:
Mann um, und was ist dann mit deinen Kindern? Und jetzt vergiss den Schraubenschlüssel.«
    Nachdem Cheetah am nächsten Tag zur Arbeit gefahren war, hielt ein Umzugswagen vor dem Haus. Deborah nahm die Kinder und alle ihre Habseligkeiten mit und versteckte sich im Haus ihres Vaters, bis sie eine eigene Wohnung gefunden hatte. Und als sie gerade versuchte, zwei Jobs unter einen Hut zu bringen und sich in ihrem neuen Leben als alleinerziehende Mutter einzurichten, ahnte sie noch nicht, dass die nächste Nachricht, die sie erhielt, sie härter treffen würde als alles, was Cheetah ihr angetan hatte.

20
    Die HeLa-Bombe
    I m September 1966 trat der Genetiker Stanley Gartler in einem Hotel in Bedford (Pennsylvania) ans Rednerpult. Im Publikum saßen George Gey und andere Größen aus dem Fachgebiet der Gewebekultur. Gartler gab bekannt, er sei auf ein »technisches Problem« gestoßen.
    Es war die zweite Decennial Conference on Cell Tissue and Organ Culture, eine Fachtagung, an der mehr als 700 Wissenschaftler teilnahmen. Sie kamen aus Biotechnologiefirmen und Hochschulen und waren angereist, um über die Zukunft der Zellkultur zu diskutieren. Im Saal summte es vor Aufregung: Alle sprachen über Zellklone und Hybride, die Kartierung der menschlichen Gene und die Nutzung von Zellkulturen in der Krebstherapie.
    Nur die wenigsten hatten schon einmal von Stanley Gartler gehört, aber das sollte sich nun ändern. Gartler beugte sich zum Mikrofon vor und berichtete, was er im Rahmen seiner Forschungsarbeiten bei der Suche nach neuen genetischen Markern herausgefunden hatte: 18 der am häufigsten benutzten Zellkulturen hatten eines gemeinsam – alle enthielten einen seltenen genetischen Marker namens Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase A (G6PD-A), der fast ausschließlich bei farbigen Amerikanern vorkommt. Und selbst unter ihnen ist er recht selten.
    »Ich konnte nicht bei allen 18 Zelllinien mit Sicherheit feststellen, von welcher Rasse sie stammen«, erklärte Gartler seinen Zuhörern. »Man weiß aber, dass zumindest einige von ihnen von Weißen und mindestens eine, nämlich HeLa, von einer Negerin stammt.« Das wusste er, weil er einige Monate zuvor an George Gey geschrieben hatte:
    Mich interessiert die Rassenherkunft der Person, von der Ihre HeLa-Zelllinie ausging. Ich habe einige der ersten Fachveröffentlichungen über die Entwicklung der HeLa-Linie gelesen, konnte darin aber keine Informationen über die Rasse der Spenderin finden.
    Als Gey darauf antwortete, die HeLa-Zellen stammten von »einer farbigen Frau«, wusste Gartler, dass er die Ursache des Problems gefunden hatte.
    »Die einfachste Erklärung scheint mir zu sein«, sagte er den Anwesenden, »dass es sich in allen Fällen um Verunreinigungen mit HeLa-Zellen handelt.«
    Die Wissenschaftler wussten, dass sie ihre Zellkulturen von Verunreinigungen mit Bakterien und Viren freihalten mussten. Auch war bekannt, dass Zellen sich gegenseitig verunreinigen können, wenn man die Kulturen mischt. Im Zusammenhang mit HeLa hatten sie aber keine Ahnung, wogegen sie ankämpfen mussten. Wie sich herausstellte, konnten Henriettas Zellen mit Staubpartikeln durch die Luft schweben. Sie konnten über ungewaschene Hände oder benutzte Pipetten von einer Kultur in die andere gelangen; sie konnten mit den Kitteln und Schuhen der Wissenschaftler oder über Lüftungssysteme von Labor zu Labor wandern. Und sie waren dominant: Landete auch nur eine einzige HeLa-Zelle in einer Kulturschale, übernahmen ihre Nachkommen dort die Herrschaft, verbrauchten das gesamte Nährmedium und füllten den ganzen Platz aus.
    Gartlers Befunde wurden alles andere als freundlich aufgenommen. In den 15 Jahren, seit George Gey zum ersten Mal HeLa-Zellen gezüchtet hatte, war die Zahl der Fachveröffentlichungen, in denen es um Zellkulturen ging, jedes Jahr um mehr als das Dreifache gewachsen. Wissenschaftler hatten viele Millionen Dollar ausgegeben, um an diesen Zellen das Verhalten der verschiedenen Gewebetypen zu untersuchen, sie untereinander
zu vergleichen und die einzigartigen Reaktionen verschiedener Zelltypen auf ganz bestimmte Medikamentenwirkstoffe, Chemikalien oder Umweltbedingungen zu überprüfen. Wenn es sich bei allen diesen Zellen in Wirklichkeit um HeLa handelte, hatte man viele Millionen verschwendet, und die Wissenschaftler, die davon ausgegangen waren, dass sich verschiedene Zellen in Kulturen unterschiedlich verhielten, würden einiges zu erklären haben.
    Viele Jahre später erzählte

Weitere Kostenlose Bücher