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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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rüberzukommen. Aber die Lacks-Männer lachten nur und schüttelten die Köpfe.
    »Dale will im Augenblick mit niemandem sprechen«, sagte Sonny.
    »Sie hat einfach die Nase voll«, brummte Day. »Die stellen immer Fragen und alles Mögliche, und sie erzählt ihnen was und kriegt nix dafür. Sie schicken ihr nich mal’ne Postkarte.«
    »Jau, das stimmt«, sagte Sonny. »Die wollen immer nur alles wissen. Und das will auch Miss Rebecca. Also los, Daddy, erzähl es ihr, dann haben wir’s hinter uns.«
    Aber Day wollte nicht über Henriettas Leben sprechen.
    »Das Erste, was ich gehört hab, war, dass sie diesen Krebs hatte«, sagte er und wiederholte damit die Geschichte, die er im Laufe der Jahre schon Dutzenden von Journalisten erzählt hatte, immer fast mit den gleichen Worten. »Das Hopkins hat mich angerufen und gesagt, ich soll kommen, weil sie stirbt. Sie haben mich gefragt, ob sie Henrietta haben können, und ich hab nein gesagt. Ich hab gesagt: ›Ich weiß nich, was ihr gemacht habt, aber ihr habt sie umgebracht. Jetzt dürft ihr nich mehr an ihr rumschnippeln.‹ Aber nach einer Zeit hat mein Vetter gesagt, dass es doch keinem wehtut, und da hab ich okay gesagt.«
    Day presste seine drei verbliebenen Zähne zusammen. »Ich hab nix unterschrieben«, fuhr er fort. »Ich hab ihnen nur gesagt, sie können’ne Topsie machen. Sonst nix. Die Ärzte ham nix davon gesagt, dass se se in Reagenzgläsern am Leben lassen und Zellen züchten. Se ham nur gesagt, se wollen’ne Topsie machen und sehen, ob se meinen Kindern helfen können. Ich
hab immer nur eins gewusst: Da is’n Doktor, und du musst machen, was se dir sagen. Ich weiß nich so viel wie die. Und die Ärzte ham gesagt, wenn ich ihnen meine Alte geb, dann können se den Krebs untersuchen und vielleicht meinen Kindern oder meinen Enkelkindern helfen.«
    »Ja!«, rief Sonny, »die ham gesagt, das könnte seinen Kindern helfen, wenn die auch Krebs kriegen. Er hatte fünf Kinder, was sollte er denn machen?«
    »Die ham gewusst, dass die Zellen schon wachsen, als se tot war und ich hingekommen bin«, sagte Day und schüttelte den Kopf. »Aber davon ham se mir nix gesagt. Die ham nur gefragt, ob se se aufschneiden dürfen und sich diesen Krebs ansehen.«
    »Na, was haste denn vom Hopkins erwartet?«, rief Bobbette aus der Küche, wo sie sich eine Seifenoper ansah. »Ich hätt denen nich mal erlaubt, mir die Zehennägel zu schneiden.«
    »Mhmmm mhmmm«, gab Day zurück, wobei er seinen Gehstock auf den Boden stieß, als wolle er ein Ausrufezeichen setzen.
    »Damals ham se Sachen gemacht«, sagte Sonny, »vor allem mit Schwarzen. John Hopkins war bekannt für Experimente mit schwarzen Leuten. Die ham se von der Straße weggeschnappt …«
    »Stimmt!«, sagte Bobbette und erschien mit einer Kaffeetasse in der Küchentür. »Das weiß doch jeder.«
    »Die ham se einfach von der Straße weggeholt«, sagte Sonny.
    »Leute wegholen!«, rief Bobbette. Ihr Stimme wurde schriller.
    »Experimente mit ihnen gemacht!«, schrie Sonny.
    »Sie würden sich wundern, wie viel Leute in East Baltimore verschwunden sind, als ich klein war«, sagte Bobbette und schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen sagen, ich hab in den Fünfzigern hier gewohnt, als se Henrietta gekriegt ham, und wir durften nicht in die Nähe vom Hopkins gehen. Wenn es
dunkel war und als wir klein waren, da mussten wir zu Haus sein, sonst hätte uns das Hopkins gekriegt.«
     
    Die Mitglieder der Familie Lacks sind nicht die Einzigen, die seit ihrer Jugend gehört hatten, Hopkins und andere Krankenhäuser würden Farbige verschleppen. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert ist die mündliche Überlieferung der Schwarzen voll von Berichten über »Ärzte in der Nacht«, die Farbige zu Forschungszwecken entführten. Hinter solchen Geschichten stand tatsächlich eine beunruhigende Wahrheit.
    Manche Berichte wurden von weißen Plantagenbesitzern verbreitet, die sich damit den uralten afrikanischen Glauben zunutze machten, wonach Geister für Krankheit und Tod verantwortlich sind. Um die Sklaven davon abzuhalten, sich zusammenzutun oder zu fliehen, erzählten ihre Besitzer gruselige Geschichten von Forschungsarbeiten an farbigen Leichen. Dann hüllten sie sich selbst in weiße Bettlaken, schlichen nachts herum und spielten Geister, die Farbige mit Krankheiten anstecken oder zu Forschungszwecken entführen wollten. Diese Bettlaken wurden schließlich zum Vorbild für die weißen Kapuzengewänder des Ku-Klux-Klan.
    Die

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