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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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sagte: »Ich möchte denen, die diese Zelllinien entwickelt haben und von Dr. Gartler angegriffen wurden, jetzt bevorzugt das Wort erteilen. Wir würden gern hören, was sie zu ihrer Verteidigung vorzubringen haben.«
    Robert Chang von der Harvard University, dessen vielfach benutzte Chang-Leberzelllinie auf Gartlers Liste der mit HeLa verunreinigten Kulturen stand, saß zornig auf seinem Platz. Er hatte mithilfe dieser Kulturen bestimmte Enzyme und Gene entdeckt, die für Leberzellen charakteristisch sind. Wenn Gartler recht hatte und die Zellen in Wirklichkeit tatsächlich aus Henriettas Gebärmutterhals stammten (und nicht aus der Leber), waren Changs Forschungsarbeiten wertlos.

    Leonard Hayflick hatte eine besonders persönliche Verbindung zu seiner Zelllinie WISH, die Gartler ebenfalls als verunreinigt aufgeführt hatte: Er hatte sie aus Zellen der Fruchtblase herangezüchtet, in der seine Tochter vor ihrer Geburt geschwommen war. Jetzt erkundigte er sich bei Gartler, ob man G6PD-A auch in Proben von Weißen finden könne.
    »Über Personen europäischer Abstammung mit G6PD-A ist bisher nichts bekannt«, erklärte Gartler.
    Einige Stunden später – den Tagungsvorsitz hatte jetzt George Gey inne – hielt Hayflick einen Vortrag über »Tatsachen und Theorien« der spontanen Transformation von Gewebekulturzellen. Doch zuvor gab er eine persönliche Erklärung ab: Da die WISH-Zellen im Test einen genetischen Marker gezeigt hatten, der nur bei Farbigen vorkam, habe er während der Mittagspause seine Frau angerufen und sie gefragt, ob er wirklich der Vater seiner Tochter sei. »Sie hat mir versichert, dass meine schlimmsten Befürchtungen unbegründet sind«, fuhr Hayflick fort. Im Publikum fingen viele an zu lachen, aber niemand bezog mehr öffentlich Stellung zu Gartlers Befunden.
    Einige Wissenschaftler allerdings nahmen Gartler doch ernst: Gegen Ende der Tagung traf Stevenson sich mit mehreren führenden Zellkulturexperten zum Mittagessen. Er sagte ihnen, sie sollten sich nach der Zusammenkunft gleich in ihre Labors begeben und Zellen auf den genetischen Marker G6PD-A testen, um auf diese Weise festzustellen, wie weit das Problem verbreitet war. In den Untersuchungen erwiesen sich viele Zelllinien als positiv, darunter auch die Hautzellen, die George Hyatt Jahre zuvor auf den Arm eines Soldaten verpflanzt hatte. Da Hyatt zu jener Zeit keine HeLa-Kulturen in seinem Labor züchtete, mussten die Zellen in dem Experiment schon vor ihrer Ankunft verunreinigt gewesen sein. Und auch wenn es nur wenigen klar war: Ähnliches spielte sich in Labors überall auf der ganzen Welt ab.

    Immer noch mochten viele Wissenschaftler nicht glauben, dass die HeLa-Verunreinigung Realität war. Nach der Konferenz, auf der Gartler die »HeLa-Bombe«, wie das Phänomen jetzt genannt wurde, gezündet hatte, arbeiteten die meisten Wissenschaftler mit den Zellen, die nach seinen Angaben verunreinigt waren, einfach weiter, als sei nichts geschehen. Stevenson und einige seiner Kollegen aber erkannten, welche Ausmaße das Verunreinigungsproblem annehmen konnte. Deshalb bemühten sie sich nun um die Entwicklung genetischer Testverfahren, mit denen man nicht nur die Existenz von G6PD-A nachweisen, sondern HeLa-Zellen in Kulturen gezielt identifizieren konnte. Und diese genetischen Untersuchungen sollten schließlich auch zu Henriettas Familie führen.

21
    Ärzte in der Nacht
    Z wei Monate nachdem Sonny Lacks mich versetzt hatte, wartete ich wieder auf ihn, dieses Mal in der Lobby des Holiday Inn von Baltimore. Es war Neujahr und er seit fast zwei Stunden überfällig. Ich dachte schon, er würde wieder einen Rückzieher machen, aber gerade als ich meine Sachen packen und gehen wollte, hörte ich, wie eine Männerstimme rief: »Sie sind also Miss Rebecca!«
    Plötzlich stand Sonny vor mir. Sein freundliches, schüchternes Zahnlückengrinsen ließ ihn aussehen wie einen 50-j ährigen Teenager. Er lachte und klopfte mir auf den Rücken.
    »Sie geben wohl nicht so schnell auf, was?«, meinte er. »Ich kann Ihnen sagen, ich kenne nur einen Menschen, der noch hartnäckiger ist als Sie, und das ist meine Schwester Dale.« Er grinste und rückte seine schwarze Schirmmütze zurecht. »Ich wollte sie überreden, dass sie heute mitkommt und sich mit Ihnen trifft, aber sie hat nicht auf mich gehört.«
    Sonny hatte eine laute Lache, und wenn er lächelte, kniff er seine spitzbübischen Augen fest zusammen. Er hatte ein freundliches, hübsches,

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