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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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Wissenschaftler, die sie ohne vorherige Zustimmung und Klärung der Eigentumsrechte entnahmen,
eine Klage wegen Diebstahls. In verschiedenen Presseberichten wurden Anwälte und Wissenschaftler mit der Aussage zitiert, ein Sieg von Moore werde die Wissenschaft »ins Chaos« stürzen und »den Ärzten und Forschern an den Universitäten den Todesstoß versetzen«. Sie bezeichneten es als »Gefahr für die Weitergabe von Gewebe zu Forschungszwecken« und machten sich Sorgen, Patienten würden durch übermäßige finanzielle Forderungen den Fortschritt der Wissenschaft auch dann behindern, wenn ihre Zellen nicht so viele Millionen wert waren wie die von Moore.
    Andererseits lagen viele wissenschaftliche Arbeiten ohnehin bereits auf Eis, weil Wissenschaftler, Universitäten und Biotechnologieunternehmen vor Gericht um das Eigentum an verschiedenen Zelllinien stritten. Nur in zwei solchen Fällen wurde erwähnt, von wem die Zellen ursprünglich stammten: Im ersten ging es 1976 um die Eigentumsrechte an einer wichtigen Zelllinie eines menschlichen Fetus. Der Wissenschaftler Leonard Hayflick, der die Zellen ursprünglich gezüchtet hatte, vertrat die Ansicht, mehrere Parteien hätten legitime Eigentumsansprüche auf Zellkulturzellen, insbesondere die Wissenschaftler, die sie züchteten, die Finanziers aller damit zusammenhängenden Arbeiten und die »Spender« der ursprünglichen Gewebeproben. Ohne alle diese Beiträge, so sagte er, gäbe es die Gewebekulturzellen nicht, und entsprechend würde der Verkauf auch kein Geld einbringen. Das Verfahren wurde nicht zum Präzedenzfall, weil es außergerichtlich beigelegt wurde: Die Rechte an den Zellen wurden unter den am Prozess beteiligten Parteien aufgeteilt; der »Spender« der Zellen aber gehörte nicht dazu.
    Ähnlich verlief wenig später ein weiterer Fall: Ein junger Wissenschaftler nahm eine Zelllinie, an deren Entwicklung er beteiligt gewesen war, und flüchtete damit aus den Vereinigten Staaten in sein Heimatland Japan. Er beanspruchte das Eigentum
an den Zellen, weil sie ursprünglich von seiner Mutter stammten.
    Um wie viel Geld es bei den Zelllinien ging, wurde in der Öffentlichkeit erst klar, als der Moore-Fall Schlagzeilen machte. Nun schrieben die Medien im ganzen Land:
    Eigentum an Zellen wirft heikle Fragen auf…
Wer hat ein Recht auf die Zellen eines Patienten? …
Wer hat Ihnen erlaubt, meine Milz zu verkaufen?
    Das Thema wurde unter Wissenschaftlern, Juristen, Ethikern und Politikern diskutiert: Einige von ihnen forderten Gesetze, die es den Ärzten verboten, die Zellen von Patienten ohne deren Einwilligung und Aufklärung über potenzielle Gewinne zu entnehmen und kommerziell zu verwerten; andere vertraten die Ansicht, dies werde zu einem organisatorischen Albtraum führen und jedem medizinischen Fortschritt ein rasches Ende bereiten.
    Letztlich wies der Richter Moores Klage ab und erklärte, er habe keine Ansprüche. Ironischerweise nannte der Richter in seinem Urteil ausdrücklich die Zelllinie HeLa als Vorbild für das, was mit der Mo-Linie geschehen war. Schließlich hatte wegen der Zucht der HeLa-Zellen nie jemand Klage eingereicht oder das Eigentumsrecht daran beansprucht, und das, so erklärte er, mache deutlich, dass es den Patienten egal sei, ob Ärzte ihre Zellen entnahmen und daraus kommerziell verwertbare Produkte machten. Nach Ansicht des Richters war Moores Beschwerde unerhört. In Wirklichkeit hatte er einfach als Erster erkannt, dass hier etwas vorging, über das man sich möglicherweise beschweren musste .
    Moore ging in Berufung, und 1988 entschied das Berufungsgericht in Kalifornien zu seinen Gunsten. Es wies auf die Vorschriften zum Schutz von Versuchspersonen im Medical Experimentation
Act hin, einer kalifornischen Vorschrift aus dem Jahr 1978, wonach bei Forschung an Menschen »das Recht des Einzelnen, darüber zu bestimmen, was mit seinem Körper geschieht«, zu wahren ist. Die Richter schrieben: »Letztlich muss ein Patient darüber bestimmen können, was mit seinem Gewebe geschieht. Alles andere würde im Namen des medizinischen Fortschritts einem massiven Eingriff in die Privatsphäre und Menschenwürde Tür und Tor öffnen.«
    Dieses Mal war es Golde, der Berufung einlegte und auch gewann. Mit jeder neuen Gerichtsentscheidung schlugen die Schlagzeilen um:
    Gericht: Zellen sind Eigentum des Patienten …
    Gericht unterstützt das Recht der Ärzte zur Verwendung von Patientengewebe
    Fast sieben Jahre nachdem Moore erstmals Klage

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