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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Skloot
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einwilligten.
    Wissenschaftler argumentieren gern, John Moores Zellen wären eine Ausnahme und nur bei den wenigsten Zelllinien lohne sich ein Patent. Moores Zellen produzierten seltene Proteine, die von Pharmaunternehmen zur Behandlung von Infektionen und Krebserkrankungen verwendet werden konnten. Außerdem enthielten sie HTLV, ein seltenes Virus, das entfernt mit dem AIDS-Erreger HIV verwandt ist. Die Wissenschaftler hofften, sie könnten mit seiner Hilfe einen Impfstoff zur Eindämmung der AIDS-Epidemie entwickeln. Deshalb waren die Pharmakonzerne bereit, gewaltige Mittel in die Arbeit mit diesen Zellen zu investieren. Hätte Moore das gewusst, bevor Golde die Zellen zum Patent anmeldete, hätte er sich selbst unmittelbar
an die Konzerne wenden und mit ihnen ein Abkommen zum Verkauf der Zellen aushandeln können.
    Genau das hatte ein Mann namens Ted Slavin schon Anfang der 1970er Jahre mit Antikörpern aus seinem Blut getan. Slavin litt an der Bluterkrankheit. In den 1950er Jahren, als er geboren wurde, bestand die einzige Therapiemöglichkeit in der Infusion von Gerinnungsfaktoren aus Spenderblut, das zuvor nicht auf Krankheitserreger untersucht wurde. Deshalb war er immer wieder mit dem Hepatitis-B-Virus in Kontakt gekommen, aber das erfuhr er erst Jahre später, als sich bei einer Blutuntersuchung eine extrem hohe Konzentration von Hepatitis-B-Antikörpern zeigte. Als die Ergebnisse dieser Blutuntersuchung vorlagen, informierte Slavins Arzt – im Unterschied zu dem von Moore – seinen Patienten darüber, dass sein Organismus etwas äußerst Wertvolles produzierte.
    Zu jener Zeit arbeiteten Wissenschaftler auf der ganzen Welt an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Hepatitis B, und dazu brauchten sie ständig Nachschub an Antikörpern, wie Slavin sie produzierte. Die Pharmakonzerne waren bereit, große Summen dafür zu bezahlen. Das war bequem, denn Slavin brauchte Geld. Er arbeitete ab und zu als Kellner oder auf dem Bau, aber dann kam der nächste Anfall der Bluterkrankheit, und er war wieder arbeitslos. Also fragte Slavin bei Labors und Pharmaunternehmen an, ob sie seine Antikörper kaufen wollten. Sie sagten in Scharen ja.
    Nun verkaufte Slavin sein Blutserum für bis zu zehn Dollar pro Milliliter – bei bis zu 500 Millilitern je Bestellung – an jeden, der es haben wollte. Es ging ihm dabei aber nicht nur um das Geld. Er wollte auch, dass jemand ein Heilmittel gegen die Hepatitis B fand. Deshalb schrieb er einen Brief an den Virusforscher und Nobelpreisträger Baruch Blumberg, der das Hepatitis-B-Antigen entdeckt und den Bluttest entwickelt hatte, mit dem man Slavins Antikörper überhaupt erst gefunden
hatte. Slavin bot Blumberg die uneingeschränkte, kostenlose Nutzung seines Blutes und seiner Gewebe zu Forschungszwecken an, und damit begann eine langjährige Partnerschaft. Mithilfe von Slavins Blutserum entdeckte Blumberg schließlich den Zusammenhang zwischen Hepatitis B und Leberkrebs, und mit der Entwicklung des ersten Hepatitis-B-Impfstoffs rettete er Millionen von Menschenleben.
    Slavin kam auf den Gedanken, dass er vermutlich nicht der einzige Patient mit wertvollem Blut war. Also sammelte er andere, ähnlich ausgestattete Menschen um sich und gründete das Unternehmen Essential Biologicals, das später mit einem anderen, größeren Hersteller biologischer Produkte fusionierte. Slavin war der erste einer großen Zahl von Menschen, die seither ihren Körper zum Geldverdienen nutzen, darunter fast zwei Millionen US-Amerikaner, die derzeit – in vielen Fällen regelmäßig – ihr Blutplasma verkaufen.
    Moore jedoch konnte die Mo-Zellen nicht verkaufen, denn damit hätte er Goldes Patent verletzt. Deshalb reichte er 1984 Klage gegen Golde und die University of California in Los Angeles ein, weil sie ihn getäuscht und seinen Körper ohne seine Zustimmung zu Forschungszwecken verwendet hatten; außerdem machte er Eigentumsrechte an seinem Gewebe geltend und verklagte Golde wegen Diebstahls. Damit erhob er als Erster auf juristischem Wege Anspruch auf sein eigenes Gewebe sowie auf Schäden durch entgangenen Gewinn.
    Als der Richter Joseph Wapner, der vor allem in der Rolle des Richters in der Fernsehshow The People’s Court bekannt geworden war, die Aussagen beider Seiten begutachtet hatte, glaubte Moore, niemand werde den Fall ernst nehmen. Wissenschaftler auf der ganzen Welt aber gerieten in Panik. Wenn Gewebeproben – auch Blutzellen – das Eigentum der Patienten waren, riskierten

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