Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
jemand klopfte gegen die Wand des Fasses. Wir kauerten uns hin. Die Dauben auf jener Seite splitterten, und das glänzende Blatt einer Axt ragte in unser Abteil. Bald brach das gesamte Fass auf wie ein Ei, und wir purzelten auf das Deck eines kleinen Fischerboots. Raue Hände zerrten an uns und durchschnitten die Seile mit der Mühelosigkeit von Männern, die daran gewöhnt waren, Fisch zu putzen.
»Und obendrein noch eine Hübsche. Was meinst du, Cacher? Wäre sie ein guter Ersatz für Emily?«
Ich rollte mich auf den Hintern und schaute auf. Valentine stand über mir, Cacher neben ihm. Beide waren mit Hautmessern bewaffnet. Cacher hielt zudem eine Axt über der Schulter. Wir befanden uns nicht an Land, sondern auf Valentines Boot.
»Hallo, Boss«, sagte ich.
»Zwei Dinge wirst du mich nie wieder nennen, Jacob. ›Boss‹ und ›Freund‹.« Er beugte sich herab und schlug mir beiläufig auf die Wange. Seine schwere Metallhand ließ mich herumwirbeln und presste mir die Wange gegen die Zähne. Mein Mund füllte sich mit Blut. »Nur, falls dir unsere Regelung unklar war.«
Eine Metallhand, weil Valentine ein Metallmann war. Ich weiß nicht, an welcher Stelle des Modifizierungsvorgangs Valentine aufgehört hat, aus Fleisch und Blut zu bestehen, aber es lag lange zurück. Seine Erinnerungen bestanden aus Engrammen, gespeichert auf Metallspulen. Seine Stimme kam durch Federn zustande und klang ein wenig wie eine Mundharmonika. Und sein Gesicht kam einem Kunstwerk gleich. Geschnitztes dunkles Holz, das nur die Ansätze von Wangenknochen, Kinn, Kieferpartie und Augenbrauen aufwies. Die Teile bewegten sich auf verborgenen Führungen, änderten ihre Position, wenn er redete, finster dreinschaute oder lachte. Alles hinter der geschnitzten Maske glich Schatten. Sein Kopf war wie ein Planetenmodell aus Erinnerungen und Gedanken.
Außerdem war er mein ehemaliger Boss, den ich mächtig verärgert hatte, und zwar kurz bevor Emily meinetwegen getötet wurde. Oh, und Cacher, der neben Valentine stand? Er war technisch gesehen Emilys Freund. Wir waren also alle alte Freunde, und niemand von uns brauchte nach Gründen zu suchen, einander zu hassen.
Veronica stand auf und stellte sich zwischen uns. Edelmütig von ihr, allerdings war sie keine edelmütige Frau. Wahrscheinlich zählte sie bloß ihre Verbündeten und versuchte, nicht ins Hintertreffen zu geraten. Ich drehte mich herum und spuckte Blut auf das Deck.
»Sie sollten wissen, dass ich Lady Bright bin, Ratsvertreterin von Veridon. Und auch dieser Mann ist ein Mitglied des Rats, obwohl Sie seinen Namen ja bereits zu kennen scheinen. Mit wem spreche ich eigentlich gerade?«
»Also treibst du dich neuerdings mit Ratsvertretern rum, wie?«, fragte Valentine.
»Genau«, meinte Cacher. »Ratsmitglieder können auch Huren sein. Und die da hat sogar die richtigen Titten dafür.«
Im nächsten Augenblick lag Cacher auf dem Rücken. Sein Messer schlitterte über das Deck und landete platschend im Fluss. Die Axt in Veronicas Hand berührte leicht Cachers Knie. Valentine grölte vor Gelächter.
»Tja, damit steht fest, dass Jacob eine Vorliebe für Frauen mit Ecken und Kanten hat. Also.« Er klatschte in die Hände. »Wie sollen wir weiter fortfahren?«
»Boss«, meldete sich ein Mann vom Heck des Boots. »Es geht mich zwar nichts an, aber vielleicht könnten Sie die nach unten schicken. Wir sind gesichtet worden.«
Wir alle schauten flussaufwärts. Das Boot, von dem aus wir vermutlich ins Wasser geworfen worden waren, zeichnete sich leicht durch die Nebelschwaden ab, die sich über die Oberfläche des Reine kräuselten. Das Gefährt drehte langsam und hielt auf uns zu.
»War unvermeidlich. Jacob, Lady Bright. Wenn ihr so freundlich wärt, euch nach vorn in die Kabine zu begeben. Dort warten Kleider, obwohl wir nur mit einem Mann und nicht mit einer Dame gerechnet haben. Lady Bright, ich entschuldige mich für die Unschicklichkeit.« Valentine hob eine Hand. »Und bevor Sie gehen, entschuldigen Sie sich bitte bei Mr. Cacher. Er ist ein grobschlächtiger Geselle, trotzdem ist das keine Art, jemandem dafür zu danken, dass er einem das Leben gerettet hat.«
»Das kann nur ein Scherz sein«, sagte Veronica.
»Es liegt nicht in meiner Natur zu scherzen. Ihre kleine Vorführung war beeindruckend, und ich bin sicher, Sie sind durchaus in der Lage, sich zu wehren. Dennoch kann ich Ihnen versichern, dass ich Sie in weniger als einem halben Atemzug über die Seite dieses Schiffs
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