Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
und in ihr Gesicht trat wieder jener ferne Blick. »Er gestaltet sie irgendwie um. Keine üble Idee.«
»Jacob, willst du damit andeuten, dass wir reingehen und die gesamte Bruderschaft der Kirche des Algorithmus auslöschen sollen?«, fragte Valentine. »Denn obwohl ich theoretisch nichts gegen die Vorstellung habe, könnte sich die Praxis als heikel erweisen. Moralisch gesehen.«
»Was denn, Valentine, scheust du dich etwa, einen kleinen, brutalen Massenmord zu begehen?« Ich lachte kurz auf. »Was ist nur aus dir geworden, alter Mann. Nein, du hast recht. Das würde ich nicht tun. Selbst wenn sie von Cranich besessen sind, bin ich sicher, dass sich diese Mechagentoten einen Teil ihrer selbst bewahren. Wilson und mir ist es gelungen, Cranichs Kontrolle zu unterbrechen, und die Mechagentoten um uns herum schienen schlagartig zu sich zu kommen. Lange genug, um Hilfe zu erflehen. Sobald die Erschaffer des Algorithmus von Cranichs Einfluss befreit sind, werden sie wieder über uns urteilen und dafür als heilig gelten.«
»Wie haben Sie das gemacht?«, fragte Veronica. »Cranichs Kontrolle zu unterbrechen?«
»Ich habe den von ihm besessenen Körper getötet. Es scheint mehrere Ebenen der Kontrolle zu geben. Offenbar erhält er im Geist der Mechagentoten nur eine geringere Gegenwart aufrecht. Einmal hat er in seinem Haus Besitz von einer Leiche ergriffen, aber das war eine kleinere Besessenheit. Kaum Bewegung, nur Gerede. Beim letzten Mal hingegen hätte ich schwören können, dass er es selbst war. Und im Gegensatz zum ersten Mal hat der von ihm besessene Körper noch gelebt. Wir müssen also denjenigen finden, den er derzeit übernommen hat – und zwar sofort, bevor er damit fertig wird, diese Rohre in die Körper des Algorithmus einzubauen. Denn wenn es ihm wirklich gelingt, sich in Camilla zu projizieren, dann stecken wir in erheblich größeren Schwierigkeiten, als ich bewältigen kann.«
»Und wer ist derjenige?«, fragte Valentine.
Ich wandte mich den Fehn zu, die niedergeschlagen in der Nähe standen.
»Um das herauszufinden, brauche ich zwei Dinge von euch. Ihr müsst mir den Eisenanzug holen, den ich verloren habe, als das Boot sank. Und ich werde eure Vergebung brauchen.«
Sie fanden ihn in dem Wrack, bedeckt von verbranntem Holz und Leichen. Auf dem Grund des Hafens befanden sich etliche Schiffe. Alle verkohlt, alle mit der Besatzung noch an Bord. Das erschütterte sogar die Fehn. Sonst erschüttert einen Toten nichts, aber das schon.
Ich war nicht scharf darauf, das Ding noch einmal anzulegen. Einige üble Erinnerungen hatten darin begonnen. Es war erst gestern gewesen, und doch schien es so lange zurückzuliegen. Ich trat in die Umarmung des Eisenmanns und ließ mich darin versiegeln. Wieder ertönte dieses metallische Klacken beim Schließen, ein Laut, der meine Ohren erfüllte, dann wurde die Luft um mich heiß wie in einem Ofen. Valentine beobachtete, wie ich darin eingeschlossen wurde, dann nickte er mir zu.
»Deine Freundin ist nicht zurückgekommen«, brüllte er, damit ich ihn durch die dicke Gesichtsscheibe hören konnte.
»Sie ist nicht meine Freundin. Und sie weiß, was zu tun ist. Ich vertraue ihr.« Ich überprüfte die Anzeigen entlang des Kragens unter meinem Kinn. »Was wirst du tun, während wir drin sind?«
»Unterwegs sein«, antwortete Valentine. »Heute scheint mir ein guter Tag für eine Vergnügungsfahrt auf dem Fluss zu sein.«
»Also fischst du mich aus dem Fluss, verlangst, dass ich deine Hilfe annehme, und kaum haben wir zusammen einen Plan geschmiedet, schmeißt du mich zurück ins Wasser und tuckerst den Fluss hinauf, um dich zu verstecken.«
»›Verstecken‹ ist ein heikles Wort. Ich halte mich von potenziellem Schaden fern, Jacob.«
»Richtig«, sagte ich. Meine Überprüfungen waren abgeschlossen. Alles, was noch zu tun blieb, war, sich in den Fluss zu begeben. »Tja, Valentine, lass dir gesagt sein, dass ich ein wenig situationsbedingte Feigheit durchaus nachvollziehen kann.«
Damit trat ich ins Wasser und sank, schnell und in gerader Linie. Wieder tauchten diese gespenstischen Gesichter im Wasser auf. Vaunt mit seinen lächelnden Popcornzähnen. Hände ergriffen die schwer gepanzerten Schultern meines Anzugs und zogen mich mühelos vorwärts in den Fluss. In die Dunkelheit.
Kapitel 18
DER WAHNSINN IM FLUSS
Die Fehn-Mutter befand sich weiter den Fluss hinunter, als ich erwartet hatte. Tatsächlich ziemlich nah am Wasserfall. So nah, dass ich nervös
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