Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
Werkshalle. Jede Menge dieser eingemotteten Maschinen und eine erhöhte Bahn, die früher einmal irgendein Produkt von Station zu Station befördert hatte. Eine Droschkenfabrik? In dem Zustand, in dem die Halle war, ließ es sich unmöglich beurteilen. Schlimmer noch, durch all die Maschinen hindurch konnte ich die Wände nicht deutlich erkennen. Nach mehreren frustrierenden Sekunden entdeckte ich etwas, das wie eine Tür aussah. Ich zog Wilson zurück und klärte ihn auf.
»Was immer hier hergestellt wurde, es war ziemlich groß. Am Ende der Montagelinie ist ein Hallentor. Viereinhalb Meter hoch, mit Schiebeläden.«
»Das ist alles?«
»Das ist alles, was ich sehen kann. Die gute Neuigkeit ist, dass es sich auf unserer Seite der Fabrik befindet. Die Fertigungslinie beginnt dorthinten, wo sie ist. Sie verläuft hier rüber«, sagte ich und deutete in die Richtung.
»Die Hallentür wird zugeschraubt sein«, meinte Wilson. »Wahrscheinlich von außen.«
»Soll das heißen, du kannst kein Schloss durch eine Wand hindurch knacken?«, fragte ich.
»Nein, Jacob. Zum einen ist da die Wand, und …« Er verstummte, als ihm klar wurde, dass ich es nicht ernst meinte. Der Anansi bedachte mich mit einem merkwürdigen Blick. Vermutlich sah er Dinge, die er zu töten und zu fressen gedachte, auf ähnliche Weise an. »Tatsache ist, selbst, wenn wir es dorthin schaffen, können wir nicht hindurch.«
»Ich nehme mal an, du hast noch nie in einer Fabrik gearbeitet«, sagte ich. »Neben dem Tor wird es einen Eingang geben.«
»Wie ein Katzentürchen«, gab Wilson zurück. »Prima. Das dürfte auf traditionellere Weise verschlossen sein.« Er spähte um die Maschine herum. Die junge Frau stand reglos da, der uns gegenüberliegenden Wand zugedreht. Ihre Hände waren wie zu einem Segen geöffnet. »Seltsame Frau. Aber ich glaube, sie wird uns trotzdem hören.«
»Sie scheint mir ziemlich abgelenkt zu sein«, entgegnete ich. »Wir sollten es versuchen, finde ich.«
»Klar«, sagte Wilson. »Du zuerst.«
»Du bist derjenige, der das Schloss knacken muss.«
»Deshalb ist es ja wichtig, dass du zuerst gehst. Falls sie dich hört, läufst du in eine andere Richtung und lenkst sie ab, während ich die Tür öffne.«
»Im Ernst?«, fragte ich. Wilson zuckte mit den Schultern.
»Ich will einfach nicht als Erster gehen«, erklärte er.
»Was ist denn aus ›schön, wieder mal was zu erleben‹ geworden, hä?«
»Auf den Dächern war es besser. Dort wusste ich, was ich tat.« Er schrumpfte ein wenig in sich zusammen und schauderte. »Dieser Ort ist wie eine verfluchte Gruft.«
»Eine Gruft«, sagte ich leise. »Leichen. Die versuchen, mich zu töten.«
»Was?«, fragte Wilson.
»Nichts«, antwortete ich, rieb mir das Gesicht und überprüfte noch einmal, wo sich die junge Frau befand. »Nichts. Gehen wir. Wie du gesagt hast – wenn sie mich bemerkt, presche ich in die andere Richtung los. Du öffnest die Tür, und ich komme nach.«
»Wenn dich wer bemerkt?«, wollte er wissen. Er wirkte nervös.
»Die junge Frau, Wilson«, erwiderte ich. Dann fiel mir auf, dass er an mir vorbei starrte. Dorthin, wo sich die junge Frau befand. Befunden hatte. Sie war weg.
»O verdammt«, flüsterte ich und stand auf. Ein riesiger Raum voller gespenstischer Maschinen und schwarzer Schatten, der Boden übersät von trockenen Käferhüllen. »Geh einfach zur Tür. Los.«
»Jacob, das wird rasend schnell immer eigenartiger. Vielleicht sollten wir …«
»Los!«, brüllte ich, zog den Revolver und versetzte dem Anansi einen Stoß. Linkisch stolperte er, dann sammelte er sich und huschte zum Hallentor. Seine klappernden Schritte hallten vom hohen Dach wider. Ebenso wie ein anderes Geräusch. Ein gleichmäßiges, leises Geräusch. Das Geräusch weiterer Füße. Schwierig zu sagen, woher es stammte.
»Wilson, sei mal kurz leise. Leise!«
»Was?«, zischte er laut.
»Sei still!«
Er tat, wie ihm geheißen. Reglos standen wir sechs Meter voneinander entfernt, aber ich hätte schwören können, seinen Herzschlag zu hören. Fast so laut wie meinen. Sonst kein Geräusch. Gar nichts. Einige Atemzüge lang harrten wir so aus, dann bedeutete ich ihm mit einem Nicken weiterzumachen. Er schlich los, diesmal viel leiser. Ich konnte ihn kaum noch hören. Und dann – Schritte. Weiter drüben.
Rasch hievte ich mich auf die Maschine, hinter der ich mich versteckt hatte, um einen besseren Überblick zu erhalten. Der seltsame Kopf der jungen Frau geriet in
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