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Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)

Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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Wilsons schmales Gesicht tauchte mit einem breiten Grinsen wieder auf.
    »Hoch, hoch«, forderte er mich auf, dann war er weg.
    Ich ergriff das Seil und zog daran. Der Weg hinauf war nicht weit, aber weiter, als ich seit einiger Zeit geklettert war. Von meiner Schulter und den Händen ganz zu schweigen.
    »Das ist auch nicht viel besser, Kumpel«, flüsterte ich, weil ich nicht wollte, dass er mich hörte. Es war nicht ausgeschlossen, dass er das Seil durchschneiden würde, wenn ihn eine seiner Stimmungsschwankungen überkäme. Die Füße gegen die Ziegelsteine gestemmt wie ein Bergsteiger kämpfte ich mich Hand für blutige Hand nach oben.
    Auf halbem Weg trafen die Ordnungshüter ein.
    »Sie da!«, brüllten sie, weil ja so viele andere Leute in der Nähe waren, die gemeint sein konnten. »Sie an dem Seil! Kommen Sie runter!«
    Wilson tauchte wieder auf, zählte die Beamten und zog sein Messer. Mit einer jähen Kopfbewegung bedeutete er mir, mich zu beeilen, da ich mir eindeutig zu viel Zeit gelassen hatte. Als wäre das ein Abenteuerurlaub für mich. Ernste Worte, Wilson. Wir würden ernste Worte miteinander wechseln.
    »Kommen Sie runter, oder wir schießen!«, brüllte einer der Ordnungshüter. Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, zog er ein Kurzgewehr. Ich stellte fest, dass ich tatsächlich schneller klettern konnte. Ein anderer Beamter nahm die Verfolgung auf. Ein gesunder Bursche, der nicht erst unlängst aus einem Fenster gestürzt war. Er holte rasch auf.
    »Komm schon, komm, Junge. Hoch, hoch!«, rief Wilson. Meine Arme wurden allmählich taub, und ich konnte die Stiefel nicht mehr auf der Mauer halten. Alles an mir, was sich nicht taub anfühlte, brannte wie Feuer. Ich versuchte, Wilson einen wütenden Blick zuzuwerfen, aber ich vermute, es wirkte eher wie schlichte Erschöpfung. Er verzog das Gesicht, steckte das Messer weg und verschwand hinter dem Rand des Gebäudes.
    Einen Moment später erzitterte das Seil. Um ein Haar hätte ich losgelassen, doch dann geriet Wilsons angespannte Miene wieder in Sicht.
    »Halt dich fest!«, presste er zwischen seinen winzigen, zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich tat, wie mir geheißen. Er zog mit all seinen vielen Armen und seinen unnatürlich harten Beinen. Ich bewegte mich nach oben. Der Ordnungshüter hinter mir stieß einen spitzen Schrei aus und fiel. Die erste Kugel prallte in dem Augenblick von den Ziegelsteinen ab, als ich mich aufs Dach rollte. Wilson und ich lagen im Gewirr seiner Arme. Das Seil spannte sich wieder. Wilson beugte sich lässig zur Seite und schnitt es durch.
    »Deine kriminellen Fähigkeiten sind in einem erbärmlichen Zustand«, meinte er. »Du verweichlichst.«
    »Aus einem Fenster zu stürzen kann so etwas schon bei mir bewirken«, gab ich zurück und hatte immer noch Mühe, genug Luft zu bekommen. Ich ergriff das lose Ende des Seils und schüttelte es. »Hast du die Dinger überall in der Stadt?«
    »Fluchtwege? Einige. Nicht so viele, wie ich früher mal hatte. Die letzten Jahre waren eher ruhig für uns.« Er stand auf und hievte mich auf die Beine, obwohl ich nicht sicher war, ob ich schon wieder bereit für aufrechtes Stehen war. »Ist doch schön, wieder mal was zu erleben, oder?«
    »Oder«, entgegnete ich. Dann wagte ich einen Blick über den Rand und duckte mich jäh, als ich etliche auf mich gerichtete Kurzgewehre erspähte. Einige Schüsse wurden abgefeuert, aber keine Kugel kam uns allzu nah. »So, und was jetzt?«
    »In einer Minute werden sie zur anderen Seite gehen. Um die Treppen hochzukommen. Wir sollten versuchen, zum nächsten Gebäude zu gelangen. Ups.«
    »Ups?«, wiederholte ich. Ich sah Wilson an und folgte seinem Blick.
    Einige Gebäude entfernt bewegte sich die junge Frau mit der Anmut einer Tänzerin über das Dach. Sie erreichte den Rand und hechtete zum nächsten Haus wie eine Gazelle, die über einen Teich hinweg springt. Wunderschön anzusehen, wenn da nicht die Maske gewesen wäre. Wenn sie uns nicht verfolgt hätte. Wenn da nicht der Umstand gewesen wäre, dass alles an ihr nicht auf ein Beute-, sondern auf ein Raubtier hinwies.
    »Interessant«, flüsterte Wilson. Ich packte ihn an der Jacke und zog ihn weg.
    »Das kann später interessant sein«, stieß ich hervor, als wir losrannten. Zu viel Rennerei an diesem Tag. Ich war wirklich außer Form.
    Eine Weile bewegten wir uns von einem Dach zum nächsten, bis klar wurde, dass ich das schwächste Glied der Kette verkörperte. Unsere Verfolgerin war

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